Michael Schmidt & Matthias Käther (Hrsg.): Fantastic Pulp 4 (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 19. Februar 2025 17:46

Michael Schmidt & Matthias Käther (Hrsg.)
Fantastic Pulp 4
Übersetzungen: Achim Hildebrand, Matthias Käther, Reinhard Klein-Arendt
Titelbild: Oliver Pflug
Blitz, 2024, Taschenbuch, 326 Seiten, 12,95 EUR
Rezension von Carsten Kuhr
Was war das doch für eine Zeit - die Ära des Übergangs zum 20. Jahrhundert. Es war eine Zeit, in der viel geschehen ist, unglaubliche Entdeckungen gemacht wurden und natürlich die Literatur andere, neue Wege ging.
Dies gilt insbesondere für die Schauer-Literatur, wie man sie noch weit früher nannte, die in den 20er und 30er Jahren so produktiv und unterhaltsam war wie selten. Wer hier Genaueres erfahren möchte, der sei auf den ebenso interessanten wie informativen Artikel von Matthias Käther „Viktorianischer Schrecken - Literatur aus dem 19. Jahrhundert“, der dieses Buch abschließt, verwiesen.
Ich muss zugeben, dass ich ein Fan der Geschichten aus „Weird Tales“ und Co. bin. Den Erzählungen haftet zumeist ein besonderer „Sense of Wonder and Terror“ an, es geht unblutiger und weniger grell als heutzutage zu. Splatter, Trash und Extrem waren damals unbekannt, schlicht auch nicht vorstellbar. Stattdessen konzentrierten sich die Autoren darauf, ihre Leser mit Stimmung und überraschenden Ideen zu ködern. Die Welt war viel unbekannter als heute. Entsprechend konnte man in der Terra incognita weit überzeugender phantastische Wesen und Erscheinungen stimmig auftreten lassen. Seien es Geister, Werwesen oder unbegreifliches Grauen - all dies wirkt auf mich in der jeweiligen Kulisse stimmungsvoller und überzeugender als in unserer modernen, hochtechnisierten Welt.
Doch um was geht es in den Entdeckungen, die uns die beiden Herausgeber vorliegend offerieren?
Ernest Favencs „Das Manuskript des George Seamore“ (1875) entführt uns ins australische Outback. Hier begegnen uns zwei Männer und ein Toter, der so tot irgendwie nicht bleiben will. Ein Tagebuch reicht uns die Erklärung für die Vorgänge nach.
Eine Novelle, die mich zutiefst beeindruckt hat. Der Autor, der selbst nach Down Under emigriert war, hat den Ausführungen Käthers zufolge, ein kleines, aber superbes Oeuvre an phantastischen Erzählungen hinterlassen, die heute weitgehend vergessen sind. Hoffentlich werden die Editoren uns weiteres Lesefutter von ihm kredenzen.
Ganz anders überrascht uns Otis Adelbert Kline in „Die Essenz des Bösen“ (1924). Zwei Denker werden vom örtlichen Gesetzeshüter an den Ort eines Vorfalls gerufen. Ein Forscher, der gestern noch höchst lebendig unter uns weilte, ist verschwunden. Stattdessen stoßen die Polizisten auf ein Skelett, das die Kleidung des Verschwundenen trägt. Kurz darauf finden sie den zur Tatortsicherung abgestellten Polizisten in vergleichbarem Zustand - also als Skelett - wieder. Das Tagebuch der Forschung weist den Weg: Der Wissenschaftler wollte aus unbelebter Materie Leben erschaffen - der Erfolg gibt ihm recht, nur dass das neue Leben…
John Martin Leahys „In Amundsens Zelt“ (1928) berichtet uns von einer dritten Antarktis-Expedition. Zwar kommen sie zu spät an den Südpol, um das Rennen für sich zu entscheiden, stoßen unterwegs aber auf eine verlassene Schneehütte, in dessen verbarrikadierten Inneren etwas auf seine Freisetzung lauert.
Gordon MacCreaghs „Dr. Muncing, Exorzist“ (1931) stellt uns einen Exorzisten vor, der verzweifelt um Hilfe gebeten an einen Tatort eilt, an dem die ach so angesagten Séancen ein Tor öffnete, durch das etwas Fremdes in unsere Welt kommen will.
Arthur Leo Zagats „Die Mitternachtsbestie“ (1934) greift auf ungewöhnliche und überraschende Art das alte Motiv der Wer-Bestie auf - erneut ein Beweis dafür, warum Matthias Käther von Zagat und seinem Werk so begeistert ist.
Ist das Leben doch eigentlich nicht viel zu kurz, um es mit Schlaf zu verschwenden? Was wäre, wenn ein findiger Mensch eine Maschine erdenken würde, die einmal eingesetzt, den Behandelten nicht mehr schlafen lassen würde - mit durchaus drastischen Folgen.
Ein Verbrecher wechselt kurzerhand, dank seiner revolutionären Erfindung, den Körper mit einem jungen Millionär. In David Wright O´Briens „Die sonderbare Wandlung des Mr. Lane“ (1942) lässt die Strafe dafür allerdings nicht lange auf sich warten.
Winston K. Marks‘ „Die Körperformer kommen!“ (1955) berichtet uns von zwei jugendlichen Aliens, die ihre Kräfte an einem hilflosen menschlichen Opfer ausprobieren. Der Mann bekommt mal einen zusätzlichen Arm, dann einen Tentakel - bis die Mutter auftaucht und ihre Ankömmlinge dazu zwingt, die „Verbesserungen“ rückgängig zu machen - nur ein unwesentliches Detail wird dabei vergessen.
Wie Sie sehen, erwartet Sie, liebe Leser, ein Sammelband voller Geschichten, der für jeden Geschmack etwas an Bord hat. Dabei unterhalten die Erzählungen spannend, warten mit nicht vorhersehbaren Wendungen und Pointen auf und entführen in lange zurückliegende Zeiten, in denen das Unheimliche sich noch glaubwürdiger präsentierte, als heute.