June Hur: Das Schweigen der Knochen (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Dienstag, 24. Dezember 2024 10:33
June Hur
Das Schweigen der Knochen
(The Silence of Bones, 2020)
Übersetzung: Elena Hofrecht
Titelbild: Kelly Chong
Crocu, 2024, Paperback, 432 Seiten, 18,00 EUR
Rezension von Christel Scheja
Schon in „Der Rote Palast“ bewies June Hur, dass auch koreanische Geschichte spannend sein kann, gerade wenn man sie in eine Krimi-Handlung verpackt. Nun geht es in „Das Schweigen der Knochen“ genauso dramatisch weiter. Denn die Situation spitzt sich zu und einige Ermittlungen werden persönlicher.
Seol wurde zwar von ihren früheren Herren als Dienerin an die Polizei verkauft, ist aber auch mit einer eigenen Agenda hier, will sie doch herausfinden, was mit ihrem Bruder passiert ist, der die Familie vor über zehn Jahren verlassen hat. Die ohnehin durch den Tod des Königs angespannte Lage wird noch erschüttert, als die verstümmelte Leiche einer jungen Adligen entdeckt wird und sie nicht das einzige Opfer bleibt. Bei den Ermittlungen gerät Inspektor Han, mit dem sie zusammenarbeitet, selbst in Verdacht. Und so ermittelt das Mädchen auf eigene Faust weiter und sticht damit in ein Wespennest.
Auch wenn der Hintergrund phantastisch wirkt, so spiegelt er doch reale Ereignisse um das Jahr 1800 wider und beschreibt ein Korea, das von Machtkämpfen verschiedener Fraktionen zerrissen ist, aber auch gegen westliche Einflüsse, vor allem den Katholizismus, kämpft. Zugleich sollen Frauen in dieser Gesellschaft eher unsichtbar bleiben, sind strengen Regeln unterworfen und müssen mit schweren Strafen rechnen, auch wenn es immer wieder der einen oder anderen gelingt, Drahtzieherin zu sein und eine gewisse Macht in den Händen zu halten.
Die Ermittlungen zeigen bald, dass der Mord an der Adligen viel weitere Kreise zieht als alle erwartet haben und die Spuren sogar bis zur Polizei führen. Erneut spielt Inspektor Han eine wichtige Rolle, die Ich-Erzählerin des letzten Bandes rückt aber eher in den Hintergrund und macht der aufgeweckten Waise Platz, die zunächst sehr unerfahren und unsicher agiert, aber nach und nach in ihre Aufgaben wächst und ihre wahren Talente entdeckt.
Das Ganze ist sehr eindringlich und lebensnah geschildert, bietet spannende Einblicke in das Leben in der koreanischen Hauptstadt und spielt gekonnt mit den Intrigen, die sich durch alle Schichten der Bevölkerung ziehen.
Die Figuren sind ausgezeichnet charakterisiert, haben sie doch auch Ecken und Kanten, machen Fehler und schätzen andere falsch ein, schaffen es dann aber doch immer wieder, irgendwie zu überraschen. Und das Ende ist erschreckend konsequent, passt aber gut zu der ganzen Geschichte, in der es nicht gerade freundlich zugeht, sondern auch immer wieder ernste und brutale Momente aufschrecken. Dementsprechend sollte man auch keine romantischen Gefühle erwarten.
So bietet auch „Das Schweigen der Knochen“ unterhaltsame Spannung vor einer Kulisse, die gerade in westlichen Augen exotisch wirkt und zugleich einen interessanten Einblick in die jüngere Geschichte Koreas bietet, da der Krimi auch immer wieder gesellschaftliche und historische Fakten mit einbindet. Und das ist manchmal nichts für zarte Gemüter.