Kalynn Bayron: Schneewittchen schlägt zurück (Buch)

Kalynn Bayron
Schneewittchen schlägt zurück
(Sleep like Death, 2024)
Übersetzung: Bettina Hengesbach
Titelbild: Fernanda Suarez
Heyne, 2024, Hardcover, 384 Seiten, 18,00 EUR

Rezension von Christel Scheja

In den letzten Jahren stehen Grimms Märchen hoch im Kurs, gerade wenn es darum geht, phantastische Romanzen zu erzählen. Gelegentlich nutzen die Autorinnen und Autoren aber auch die Gelegenheit, das klassische Grundgerüst ganz anders zu interpretieren und auf den Kopf zu stellen, wie in „Schneewittchen schlägt zurück“ von Kalynn Bayron.


Prinzessin Eve wird seit ihrer Kindheit zu einer Kämpferin erzogen, soll sie sich doch eines Tages gegen den Ritter mit den unheilvollen magischen Kräften stellen, der ihrer Mutter, dem Volk und dem Land mit seinen dunklen Zaubern zusetzt. Doch eines Tages stellt sie fest, dass ihre Mutter Regina ganz offensichtlich ein falsches Spiel mit ihr spielt und versucht herauszufinden, warum sie über einen magischen Spiegel Kontakt mit dem Ritter hält und was sie damit bezweckt. Das aber ihre Entschlossenheit, sich endlich dem Feind zu stellen.

 

Die Versatzstücke, die man aus dem Märchen kennt, sind alle da. Eine Prinzessin, die sterben soll, eine zwielichtige Königin, eine Hütte im Wald mit einer hilfreichen Familie, ja selbst der Jäger, der Prinz und nicht zuletzt die alte Hexe mit dem vergifteten Apfel sind zu finden. Zudem gibt es auch immer wieder Anspielungen auf andere Geschichten. Allerdings ist Eve alias Schneewittchen keine zarte Heldin, sondern eine entschlossene Kämpferin, wie sich immer wieder zeigt. Und ihre Mutter liebt sie aufrichtig, auch wenn das gelegentlich nicht so scheint.

Die Handlung geht daher sehr schnell eigene Wege, denn Eve wird selbst aktiv, als die Bedrohung zunimmt, scheint es der geheimnisvolle Ritter, der Wünsche erfüllen kann - dafür aber Forderungen stellt -, doch nun auf sie abgesehen zu haben. Wem kann sie letztendlich trauen, als sich selbst in ihrer Nähe Verrat ausbreitet - und wie aufrichtig ist der geheimnisvolle Bote des Ritters, dem sie sich irgendwie annähert?

Diversität, selbstbewusste und eigenständige Frauen, sind ebenso ein Teil der Geschichte wie auch ein Hauch Romantik; das Hauptaugenmerk der Autorin liegt aber auf den aktiven Interaktionen der Heldin mit ihrem Umfeld, damit sie dem Ritter gegenüber irgendwann endlich als gleichwertige Gegnerin auftreten kann.

Die Auflösung des ganzen Dramas bietet dann auch noch einen interessanten Twist.

Allerdings ist die Geschichten nicht ganz so fesselnd wie vermutet, denn irgendwie wirken die Figuren zu glatt und distanziert, wird die Handlung sehr schnell offensichtlich, auch wenn sie natürlich solide aufgebaut ist.

Dennoch hebt sich der Roman angenehm von der Masse der Märchen-Romanzen ab, da hier einiges an Rollenbildern auf den Kopf gestellt wird.

Der Titel von „Schneewittchen schlägt zurück“ ist wörtlich zu nehmen, denn die Geschichte stellt eine mutige und entschlossene Heldin in den Mittelpunkt, die nicht bereit ist, die Hände in den Schoß zu legen und ihr Schicksal zu erwarten, sondern aktiv gegen die Grausamkeit ihres Gegenspielers angeht und nach dem ersten Schock selbst die Initiative ergreift, um alle zu retten, inklusive ihrer selbst.