Sarah Blakley-Cartwright & David Leslie Johnson: Red Riding Hood – Unter dem Wolfsmond (Buch)

Sarah Blakley-Cartwright & David Leslie Johnson
Red Riding Hood – Unter dem Wolfsmond
(Red Riding Hood, 2011)
Aus dem Amerikanischen von Reiner Pfleiderer
Mit einem Vorwort von Catherine Hardwicke
Titelgestaltung von Hanna Hörl Designbüro unter Verwendung des Originalumschlags
Autorenfotos von Matt Holyoak, Ronee Blakley und David Leslie Johnson
cbt, 2011, Paperback mit Klappenbroschur, 290 Seiten, 12,99 EUR, ISBN 978-3-570-16124-1

Von Petra Weddehage

Valerie wohnt mit ihren Eltern und ihrer Schwester Lucie im Dorf Daggorhorn. Die Leute gehen ihren verschiedenen Beschäftigungen nach und leben scheinbar zufrieden in ihrer Dorfgemeinschaft. Ein trügerischer Friede schwebt über dem Ort.

Einmal im Monat, bei Vollmond, wird ein Opfer gebracht: Mal handelt es sich um eine Kuh, dann wieder um eine Ziege. Reihum ist jede Familie gezwungen, ihr Scherflein für das Wohl des Dorfes beizutragen. Seit Jahren tyrannisiert ein Werwolf Daggorhorn; damit kein Mensch zu Schaden kommt, wurde dieses Abkommen mit ihm geschlossen. Valerie ist traurig, als die Familienziege zum Altar gebracht wird. Trotzig rennt sie in jener Nacht zum Altar, um die Ziege zu retten. Prompt wird sie vom Wolf überrascht. Unerwartet verschont er das Mädchen, aber Valerie ist seither nicht mehr die Gleiche.

Zehn Jahre später kommt Peter, Valeries Freund, dessen Vater von der Gemeinschaft verstoßen wurde, zur Erntezeit ins Dorf zurück. Obwohl die junge Frau inzwischen dem reichen Henry Lazar als Braut versprochen wurde, kann sie sich ihrer Gefühle für Peter nicht erwehren. Beim Erntefest wollen sie sich verbotenerweise treffen. Doch alles kommt anders, denn der Blutmond steht völlig überraschend am Nachthimmel. Das bedeutet höchste Gefahr – der Wolf ist auf der Jagd. Diesmal will er sich ein menschliches Opfer holen. Alles deutet darauf hin, dass auch er Ansprüche auf Valerie erhebt.

Die Adaption der Geschichte von Rotkäppchen in Form einer Horror-Story mit romantischen Elementen wurde konsequent umgesetzt. Die Protagonisten überzeugen mit starken und sehr eigenwilligen charakterlichen Eigenarten, die jeden, selbst die Nebenfiguren, sehr individuell zeichnen. Valerie ragt wegen ihres starken Willens und ihrem Widerspruchsgeist aus der Dorfbevölkerung heraus. Es gibt keinen Baum, der für sie zu hoch ist, um ihn zu erklimmen; durch keine Gefahr lässt sie sich von ihren Zielen abbringen – doch ihr Aufbegehren ist meist nicht erwünscht. Sie selber fühlt sich auch zunehmend als Sonderling unter ihren Freundinnen. Diese würden alles dafür geben, wenn der gutaussehende Henry Lazar sie erwählen würde und können nicht nachvollziehen, dass sich dieser ausgerechnet Valerie als Braut wünscht. Henry sieht sich ebenfalls als Sonderling, da er als Kind einer reichen Familie nicht mit dem unter ihm stehenden ‚Pöbel‘ Freundschaften schließen darf. Dies bewirkt, dass er in Valerie eine verwandte Seele sieht, die seinen Vorstellungen von der zukünftigen Braut entspricht. Peter wiederum ist der Kindheitsfreund von Valerie und wirkt sehr mysteriös. Was in der Vergangenheit vorfiel und ihn zusammen mit seinem Vater zu einem Ausgestoßenen machte, wird nur vage angedeutet, so dass dem Leser reichlich Raum für Spekulationen bleibt.

Die Autorin lässt die Welt des Mittelalters auch mit all ihrem Aberglaube und religiösen Fanatismus und den damit verbundenen Grausamkeiten vor dem inneren Auge des Lesers lebendig werden. Es kommen Folter durch die Obrigkeiten und Verrat aus Angst vor eben diesen genauso vor, wie sinnlose Gewalt gegen die hilflose Dorfbevölkerung. Das alles wird von einem selbsternannten Werwolfjäger ausgelöst. Fanatisch jagt dieser den Wolf. Jeder ist für ihn verdächtig, und niemanden, den er für den Wolf oder einen angehenden Werwolf hält, verschont er, auch nicht Frauen und Kinder. Der Leser versucht ab dem ersten Auftauchen des Werwolfs zu erraten, wer von den Protagonisten hinter der Tragödie steckt, und es gibt mehrere Anwärter für seine Rolle. Da wäre Peter, der erst nach Jahren wieder auftaucht, sowie Valeries abgelegen wohnende Großmutter, doch auch die junge Frau selber könnte die Anlagen zum Wolf in sich tragen. Diese Frage zieht sich durch die ganze Geschichte, die mit einem interessanten Ende aufwartet.

Das Besondere an diesem Titel ist, das es zeitgleich mit dem Drehbuch für den Kinofilm „Red Riding Hood“ entstand. Der Autor des Drehbuchs, David Leslie Johnson, erarbeitete zusammen mit Sarah Blakley-Cartwright einen Roman, der einen hohen Unterhaltungswert besitzt. Die düstere, von Angst durchflutete Atmosphäre des Dorfes wurde hervorragend umgesetzt. Die „Twilight“-Regisseurin Catherine Hardwicke erläutert in ihrem Vorwort, wie die Idee zu dem Kinofilm parallel zu diesem Projekt in Buchform umgesetzt wurde. Sie selber führt beim gleichnamigen Film außerdem Regie.

Das Cover des Buches zeigt eine junge Frau, die in einem düsteren Wald steht. Bekleidet ist sie mit einem langen weißen Kleid und einem ebenso langen roten Cape.

Die Geschichte von Rotkäppchen entstand hier in einem völlig neuen Gewand und erinnert mit ihren Horror-Elementen an die „Schneewittchen“-Adaption („Snow White“, 1996) mit Sigourney Weaver als ‚böse Stiefmutter‘. Den Anstoß für „Red Riding Hood“ gab kein Geringerer als Leonardo DiCaprio, nach dessen Idee das Märchen umgesetzt wurde. Nach der spannenden Lektüre darf man auf den Film wirklich gespannt sein! Dieser kommt am 21. April in die Kinos. Die Hauptrolle der Valerie spielt Amanda Seyfried, die aus dem Kinohit „Mamma Mia“ in bester Erinnerung geblieben ist. Neben ihr agieren so bekannte Darsteller wie Gary Oldman und Virginia Marsden, alles ‚alte Hasen‘ im Business. Die Erwartungshaltung ist dementsprechend hoch. Und bis es soweit ist, kann man die Wartezeit mit dem Roman „Red Riding Hood“ verkürzen.