Bradley Harper: Doktor Doyle jagt Jack the Ripper (Buch)

Bradley Harper
Doktor Doyle jagt Jack the Ripper
(A Knife in the Fog, 2018)
Übersetzung: Dorothee Schröder
Titelbild: Miriam Steinhart
Dryas, 2024, Paperback, 322 Seiten, 18,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Arthur Conan Doyle - na, klingelt da was? Ja, „Die verlorene Welt“ (aus der später „Jurassic Park“ seine Inspiration zog), aber mehr noch ein gewisser, leicht manischer Detektiv mit einem Drogenproblem. Die Rede ist natürlich von dem von uns allen geliebten Sherlock Holmes. Ergo, zurück zu dessen Verfasser, eben jenem Doyle.

 

Während unser Doktor seine Brötchen für den bald das Licht der Welt erblickenden Nachwuchs als Landarzt verdient, schreibt er nebenbei, mehr aus Zeitvertreib, Detektivgeschichten, die er für einen Appel und ein Ei an Londoner Verleger verkauft. Wirklich finanziell lohnen tut sich das nicht, doch dann erreicht ihn eine Einladung eines Lesers.

Der frühere Premierminister beordert ihn mittels einer 10-Pfund-Note - eine sehr überzeugende Motivation für einen jungen Mann von Stand - nach London in seinen Club.

Doyle soll, unauffällig versteht sich, die Morde in Whitechapel, die einem gewissen Jack the Ripper zugewiesen werden, aufklären. An die Seite gestellt bekommt unser Arzt eine Kollegin: Margaret Harkness, die im Milieu für ihre eigenen Werke recherchiert und - skandalös aber auch - es doch tatsächlich nicht nur wagt, in Männerkleidern dort herumzulaufen, sondern einen kleinen Freund namens Derringer dabei zu haben pflegt. Für die, die sich darunter nichts vorstellen können: eine kleine, handliche Pistole mit zwei Schuss - da ergreifen die Möchtegern-Ganoven ganz schnell das Hasenpanier. Mit von der Partie auch noch Doyles ehemaliger Professor, dessen deduktische Vorgehensweise Holmes‘ Ermittlungsmethode inspiriert hat.

Und dann macht sich unser Triumvirat daran, auf den Straßen des East Ends zu recherchieren. Dass unsere Ermittler dabei über die bekannten, aber verdrängten sozialen Missstände nicht länger hinwegsehen können, dass ihnen der alltäglich mehr und mehr um sich greifende Antisemitismus begegnet, zeigt uns eine vergangene Welt, die doch ach so viel mit unserer aktuellen gemein hat.

Unter Generalverdacht stehen immer die, die im Leben noch eine Stufe tiefer stehen und leben, die Migranten - vorliegend Juden, die vor Verfolgung auf dem Kontinent nach London fliehen; sie sind an schlicht allem schuld, ohne sie ginge es allen besser.


Neben diesen wunderbar akkurat recherchierten Umständen des Daseins der einfachen, sprich armen Tagelöhner Londons 1888, zeigt uns der Verfasser ein ganz ungewohntes Bild der britischen Metropole. Statt Bällen, Tanzkarten und Tee-Soireen die, die den Reichtum des Adels erst ermöglichen: die Geknechteten, Ausgebeuteten, die versuchen ihr armseligen Dasein, ihre Sorgen und Nöte im Alkohol zu ertränken. Die Not bringt viele Frauen dazu, das einzige was sie besitzen, ihren Körper zu verkaufen - auch wenn sie wissen, dass sie sich dabei Krankheiten zuziehen - doch ein voller Bauch der Kinder ist das allemal wert. Es ist ein bedrückendes, ein ungeschöntes Bild, das Harper uns hier offeriert.

Dazu inkludiert er eine junge, selbstbewusste Frau in die Musketier-Runde, die vehement ihr Recht auf Selbstbestimmung vertritt. Hoppla, da kommen ganz unerwartet - jedoch höchst überzeugend und willkommen - Gedanken um Gleichberechtigung in den Plot, die diesen um eine weitere Ebene erweitern.

Die Auflösung um den Täter ist dann in sich folgerichtig und überraschend noch dazu, so dass die Zeit der Lektüre wie im Flug vergeht.

Dass der Verfasser noch eine weitere Geschichte mit unserer wackeren Mrs. Harkness - wie Doyle und Dr. Bell eine historisch verbürgte Figur - geschrieben hat, die uns der Verlag nächstes Jahr unter dem Titel „Miss Harkness und das Damen-Gambit“ offerieren wird, sei erwähnt und freut mich ungemein.