Sylvana Freyberg, Alexandra Dickmann & Jaewon Nielbock-Yoon (Hrsg.): Die Sterne leuchten am Erdenhimmel (Buch)

Sylvana Freyberg, Alexandra Dickmann & Jaewon Nielbock-Yoon (Hrsg.)
Die Sterne leuchten am Erdenhimmel
Übersetzung: David Röttger, Alexandra Dickmann, Mareike Urbanek, Julia Zachulski und Andrea Koschan
Titelbild: s.BENeš
Nachwort: Sylvana Freyberg
Memoranda, 2024, Paperback, 202 Seiten, 22,00 EUR

Rezension von Gunther Barnewald

Die vorliegende Anthologie enthält sieben SF-Kurzgeschichten von Autoren aus Südkorea. Dies ist die erste Sammlung südkoreanischer SF im deutschen Sprachraum und, um es vorwegzunehmen, sie ist überaus gelungen.

 

In der ersten Kurzgeschichte von Kim Bo-Young, welche auch die Titelgeschichte der Anthologie darstellt, schreibt eine Frau an ihren Bruder und erzählt von ihrer „besonderen“ Krankheit, einer Art Narkolepsie. So nach und nach versteht der Leser, dass die Schreiberin gar nicht auf der Erde lebt und ihre Krankheit etwas ganz anderes ist...
Ein genialer Plot, wunderbar vorbereitet und ganz langsam zelebriert von der in Südkorea recht bekannten Autorin.

In der zweiten Story von Djuna wurde ein neues Verfahren ausprobiert, um wichtigen, mächtigen Menschen, die zu sterben drohen, das Leben zu retten. Dazu ist es jedoch notwendig, einzelne Bewusstseinsteile in fünf verschiedene Ersatzkörper zu verpflanzen. Die neu entstandenen Wesen unterscheiden sich dabei aber von der alten Ausgangspersönlichkeit teilweise so stark, dass es sogar dazu führen kann, dass eine der „neuen“ Personen seine anderen Teile auslöschen möchte...
Die Geschichte erscheint anfangs etwas wirr, verblüfft dann aber mit ihrer genialen Auflösung einer brutalen Mordserie, deren letztes Opfer die Erzählerin selbst ist.

Die dritte Erzählung von Lee Sanhwa berichtet von zwei Raumfahrern, die immer wieder bei einem fatalen Absturz sterben und dabei in einer Art Zeitschleife gefangen zu sein scheinen. Dabei droht ihr Absturz einen finalen weltweiten Atomkrieg auszulösen...
Ebenfalls sehr spannend und clever wird hier ein bekanntes Sujet der SF (Zeitschleife) gekonnt variiert.

Die vierte Geschichte von Lee Seoyoung ist vielleicht das Highlight unter den meist sehr guten Storys. Eine Frau will ihren veralteten Liebesroboter nicht durch eine neue, viel fortschrittlichere Technik ersetzen lassen, da sie ihn wirklich liebt und sich viel zu sehr an ihn gewöhnt hat. Über einen eigenen Reparaturversuch und die Erprobung neuer Techniken verfällt sie schließlich auf eine Lösung für ihr Problem...
Die Autorin zieht hier geschickt alle emotionalen Register und lässt die heute noch futuristische Technik eines Liebesroboters so lebendig vor den Augen der Leser entstehen, dass man einfach den Hut vor ihr ziehen muss.

Bora Chung hat den Nachteil, mit ihrer Kurzgeschichte genau auf die beste Story der Anthologie folgen zu müssen, macht ihre Sache aber recht ordentlich. Der Plot von der Ehefrau des Protagonisten, die sich schließlich als Alien entpuppt, mag zwar weder neu noch ein Geniestreich sein, zeichnet sich aber durch eine gute Grundidee aus.

In der Erzählung von Park Seolyeon flieht ein fremdartiger Außerirdischer vor dem ewigen Krieg auf seinem Planeten (zwei unterschiedliche intelligente Rassen stehen sich durch ihre Ideologien für immer feindselig und rachsüchtig gegenüber) zur Erde und erzählt von der Heimat.
Auch dieser Autorin gelingt eine intelligente und den Leser einnehmende Geschichte.

Die letzte Story von Jeon Samhye ist zwar auch gut lesbar, fällt jedoch leider etwas ab. Die wehmütige Geschichte einer zum baldigen Sterben verurteilten Mondbesucherin, die wegen eines verheerenden Meteoriten-Einschlags nicht mehr zur Erde zurückkehren kann, berührt zwar beim Lesen, hinterlässt aber deutlich weniger bleibenden Eindruck als die anderen Erzählungen und ist inhaltlich deutlich weniger innovativ als alle anderen Storys in dieser Anthologie.


Neben einem informativen Nachwort weist der Band zudem eine kurze Biographie der einzelnen sieben Autoren auf (und auch der drei Herausgeberinnen).

Insgesamt ist die Auswahl vornehmlich weiblicher südkoreanischer SF-Autorinnen (lediglich bei Dunja, einem Pseudonym, ist nicht klar, wer dahintersteckt) eine Wucht und die Anthologie somit außerordentlich gut gelungen.

Auch bei einem relativ hohen Preis von 22,00 EUR lohnt sich die Anschaffung dieses Bandes mit sieben guten bis sehr guten Kurzgeschichten wirklich für den SF-Fan und alle Liebhaber gut erzählter und intelligent ausgedachter Phantastik.