Stephen M. Irwin: Der Sog (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 23. März 2011 22:15
Stephen M. Irwin
Der Sog
(The Death Path, 2009)
Aus dem Australischen von Fred Kinzel
Titelgestaltung und –illustration von bürosüd°.
Blanvalet, 2010, Taschenbuch, 544 Seiten, 8,95 EUR, ISBN 978-3-442-37575-2
Von Armin Möhle
Selbstverständlich werden nicht nur in den USA zeitgenössische Horror-Romane verfasst, sondern auch in – Australien. Der Blanvalet Verlag legt mit „Der Sog“ den Debütroman des australischen Autors Stephen M. Irwin in deutscher Übersetzung vor.
Nicholas Cage lebte und arbeitete knapp zwei Jahrzehnte in England, bevor er nach dem Unfalltod seiner Frau in seine australische Heimat, in die Stadt Tallong, zurückkehrt. Nach dem Tod seiner Frau erwarb er eine außersinnliche Fähigkeit, nämlich die, Sterbenden bei ihrem Ableben (als Geister) zusehen zu können, und zwar immer wieder. Nach seiner Ankunft in Tallong wird er mit dem Verschwinden und der Ermordung eines siebenjährigen Jungen konfrontiert, eine Parallele zu einem einschneidenden Ereignis in seiner Kindheit, als er miterleben musste, wie sein Freund Tristam Boye in einem Waldstück nahe Tallong verschleppt und später getötet wurde. Cage findet heraus, dass in Abständen von mehreren Jahren bis Jahrzehnte Jungen verschleppt und danach ermordet aufgefunden wurden – und das bereits seit mehr als eineinhalb Jahrhunderten. Er stellt sich der Macht, die dafür verantwortlich ist und die ihrerseits ihren ganz eigenen Plan mit ihm verfolgt.
Der Plot des Romans wird erfahrene Leser sicherlich nicht überraschen. Welchem Zweck die Morde an den Jungen dienen, wenn auch nicht unmittelbar, liegt schnell auf der Hand. Doch der Autor weiß zu erzählen. Trotz des Umfanges des Romans ist jeder Teil der Handlung sinnvoll. Der Stil ist eingängig und keineswegs weitschweifig. Auch in längeren Beschreibungen wird nur das gesagt, was gesagt werden muss. Der Spannungsbogen ist ebenfalls tadellos, endet in dem erwarteten Showdown inklusive einer knappen Wendung am Ende des Romans, die das vorherige Happy End konterkariert (aber nicht unbedingt eine Fortsetzung erwarten lässt ...).
Dass sich der Autor inhaltlich im Rahmen des Genres bewegt, fällt angesichts seiner erzählerischen Brillanz bei der Lektüre selten auf. Ihm gelingt außerdem die Variation des einen oder anderen konventionellen Motivs (Zum Beispiel der Fähigkeit Nicholas Cages, Sterbende zu sehen, die für ihn mehr ein Fluch als ein Segen ist, oder die ambivalente Darstellung der Beziehung zwischen dem Herrn des Waldes und seiner [vermeintlichen] Dienerin). Positiv zu bewerten ist auch, dass der Autor die Handlung von „Der Sog“ in seiner Heimat ansiedelte und nicht etwa auf einem Kontinent, der ihm möglicherweise mehr Marktchancen geboten hätte.
Für einen Debütroman ist „Der Sog“ herausragend. Stephen M. Irwin lässt auf weitere, noch bessere Horror-Romane hoffen, wenn er sich (weiter) von den Konventionen des Genres zu lösen vermag. Damit würde er beweisen und bestätigen, dass nicht nur in den USA hervorragende Horror-Autoren leben und arbeiten.