RJ Barker: Wächter des Wyrdwood (Buch)

RJ Barker
Wächter des Wyrdwood
Die Wyrdwood-Saga 1
(Gods of the Wyrdwood, 2023)
Übersetzung: Michaela Link
Panini, 2024, Paperback, 392 Seiten, 19,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Einst war Cahan du Navare Krieger - eine Profession, in der derjenige, der sie gut beherrscht, es zu Ruhm, Ehre und Reichtum bringen kann. Er hatte genug vom Schlachten und sich schon vor Jahren vom Feld der Ehre in die Wälder von Forbearn zurückgezogen. Manch einer meint, er habe sich hier verkrochen, sei vor seiner Verantwortung, seinen Taten und seinem Schicksal geflohen - Recht haben sie. In der Einsamkeit züchtet er seine Tiere, fällt Holz und lebt abgeschieden, aber in relativem Frieden mit seinen Mitmenschen. Doch, wehe, wenn es einem einmal zu gut geht - das dicke Ende folgt meistens auf dem Fuß!

Erst wird er von seinem abgelegenen Hof vertrieben, dann suchen Agenten des Rain den Hof heim und ermorden alle - wohl in der Annahme, dass er unten den Opfern ist. War er nicht - was dann in der Folge zu größeren Verwerfungen führt.

Dazu sollte man wissen, dass Cahan ein Cotta-Rai ist - kein einfacher Magier, sondern einer, der nicht lediglich die Elemente Feuer und Wasser beschwört - beileibe nicht - er ist jemand, den er eigentlich gar nicht geben dürfte. Ein Mächtiger, der die magischen Kräfte anderer bündeln, an sich reißen und mit diesen seine Kontrahenten bekämpfen kann. Es kann nur einen Cotta-Rai geben - so glaubt man, bis Cahan auf die Bühne tritt.

Nun könnte er, wenn er denn seine grausame, verführerische Macht annehmen und nutzen würde, das labile Machtgefüge der Adeligen Cruas gehörig durcheinanderwirbeln.

Um eben dem zu entgehen, hat er sich soweit irgend möglich zurückgezogen. Doch selbst hier, suchen und finden die Mächtigen ihn, hetzen ihre Untoten auf ihn. Schon einmal hat er einen jungen Menschen im Stich gelassen - einen angehenden Magier, der seine Kräfte nicht wollte, der gegen die mächtigste Frau des Reiches, seine eigene Mutter, rebelliert und der sich für Cahan geopfert hat.

Als eine andere Frau, eine andere Mutter ihn bittet, ihr vom Wald gestohlenes Kind zurückzubringen, willigt er auch deshalb ein. Begleitet von einer scheinbar verrückten Priesterin der Ranya macht er sich auf in einen Wald, der so ganz anders ist, als jede andere Ansammlung von Bäumen - ein Wald, in dem riesige Bäume stehen, Bäume, die früher einmal Götter waren…


Panini legt uns hier nur die erste Hälfte des Auftaktbandes einer etwas, nein ganz anderen Fantasy-Trilogie vor. Zwar weist der Verlag auf die Splittung nicht hin, man sollte dies aber wissen und berücksichtigten, wenn man den Band zur Hand nimmt. Sprich, in der Übersetzung wird aus der englischen Trilogie eine sechsteilige Saga.

Dies vorausgeschickt, darf ich dem Buch attestieren, dass es mich verblüfft hat.

Das Tempo ist zu Beginn… gemächlich, wie es sich für ein Werk, das sich auch um Bäume dreht, auch gehört. Barker gehört nicht zu den Autoren, die viel erklären: Er lässt uns mit seinen Figuren in deren Welt eintauchen, man darf als Leser sich die Anlage dieser gerne nach und nach selbst erarbeiten.

Und, dies muss ich ihm vorab zugestehen, ich habe noch niemals eine derartig fremde, dabei aber überzeugend real wirkenden Welt kennengelernt! Ja, ich bin der Auffassung, dass eben jene Welt, die so anders beschriebene Flora und Fauna, der eigentliche Star, die Hauptperson des Romans ist.

Uns begegnen absonderliche, gefährliche, pittoreske und unbegreifliche Wesen - Lebewesen, die ihrer Umgebung angepasst sind, in die der Mensch nicht passt, keinen Platz hat und deswegen nicht wie sonst Jäger, sondern zumeist ahnungslose Beute ist. Da schweben Lebewesen, ja Luftschiffe und Jäger, durch die Lüfte, da greifen riesige Waldbewohner in das Schicksal der Erzähler ein - der Grund bleibt zunächst offen.

Dazu gesellt sich ein Magie-System, das sich ebenfalls total von dem gewohnten Bild unterscheidet. Innovativ, anders, faszinierend das sind die Adjektive, die mir hier in den Sinn kommen.

Gegen diese übermächtigen Baum-Wesen - einst Götter - wirken die Ränke der Sternenpriester mit ihrem kleinlich wirkenden Kampf um Macht und Einfluss und die religiösen Eiferer fast schon lächerlich.

Natürlich geht es um Macht(spielchen), Einflussnahme, Schicksal und Freiheit. Mehr aber läuft noch im Hintergrund der Konflikt zwischen Natur auf der einen, Zivilisation (oder das, was man dafür hält) auf der anderen Seite ab.

Cahan als gebrochener Charakter mit traumatischer Vergangenheit als Aussteiger auf der einen Seite, die politisch-religiösen Machtstrukturen auf der anderen Seite stehen fast hilflos, scheint es, dem Wirken der übermächtigen Natur des Waldes gegenüber.

Bislang bleiben dabei viele der Nebenfiguren noch blass, konzentriert sich der Verfasser fast ganz auf seine Welt, Cahan und die Priesterin Udinny. Hier bleibt abzuwarten, wie sich die anderen Figuren in den restlichen Bänden (im Original ist gerade Band 2 erschienen - ergo Teil 3 + 4 in der Übersetzung), entwickeln werden.

Fans von düsteren, detailreichen Fantasy-Geschichten mit interessanten, gebrochenen Erzählern werden hier, nach einem geruhsamen Beginn, eine packende Lektüre finden, die von der Bühne her ganz neu, anders daherkommt und den Grundstein für eine epische Saga legt.