Erin Doom: The Tearsmith (Buch)

Erin Doom
The Tearsmith
(Fabbricante di Lacrime, 2022)
Übersetzung: Barbara Neeth, Christine Neiske und Katharina Schmidt
Sauerländer, 2024, Paperback, 720 Seiten, 16,90 EUR

Rezension von Christel Scheja

Erin Doom ist das Pseudonym einer jungen italienischen Autorin, die ihre Karriere bei Wattpad begann und nun zu den angesagtesten Schriftstellerinnen Italiens gehört. Besonderen Erfolg hatte sie mit ihrem Roman „The Tearsmith“, der nicht nur bei TikTok zum Hype wurde, sondern auch von Netflix verfilmt.


Nica hat ihre Kindheit und Jugend in einem Waisenhaus verbracht. Deshalb ist sie umso glücklicher, dass sie nun vielleicht von den Milligans adoptiert wird und so endlich die Liebe in einer echten Familie erleben darf. Aber das Ganze wird durch die Tatsache überschattet, dass auch Rigel zu der Familie kommt.

Denn der ist niemand, den sie wirklich gerne hat, versetzt er sie doch immer wieder in Angst und Schrecken durch seine seltsame und undurchdringlich kalte und böse Art. Doch dann brechen die Mauern beider auf, als sie sich ihrer Vergangenheit stellen müssen.


Man bekommt durch das Titelbild und den Klappentext durchaus den Eindruck, dass die Geschichte zumindest einen leichten übernatürlichen Anteil hat, aber dem ist nicht so. Ein wenig mystisch ist allenfalls der Stil der Autorin, die mit magischen und lyrischen Bildern arbeitet, um die Traumata aufzuarbeiten, die Nica und auch Rigel im Waisenhaus erlebt haben müssen, während sie ihre ersten Schritte in einem normalen Leben machen dürfen. Zudem spüren beide eine seltsame Anziehungskraft, die mit der Zeit immer stärker wird, da sie beide ähnliche Probleme und das gleiche Ziel haben - nämlich die grausame Vergangenheit endlich hinter sich zu lassen.

Angesprochen werden zwar ernste Themen, wie die psychische und physische Misshandlung von Kindern durch eine Heimleiterin, aber sie sind nur der Trigger für die Entwicklung einer zarten und zerbrechlichen Romanze, die sich nach und nach zwischen den beiden so unterschiedlichen Hauptfiguren entwickelt. Diese wirken zwar zunächst wie die wandelnden Klischees - Rigel ist der eiskalte und bösartige Bad Boy, Nica die sanfte, naive und einfühlsame Heldin, die langsam aus ihrem Mauerblümchendasein wächst -, entwickeln aber nach und nach auch ein wenig Profil. Die Nebencharaktere bleiben dagegen eher blass, sind oft nicht mehr als Stichwortgeber und erfüllen alle mehr oder weniger eine bestimmte Rolle für die Entwicklung der Figuren, aber nicht mehr.

Das Ganze wird flott und gefühlvoll, wenn auch manchmal arg verschnörkelt erzählt, um die alltäglichen Momente aufzuwerten. Leider zieht sich die Geschichte im zweiten Teil ein wenig in die Länge, da Rigel und Nica einander lange Zeit nur umkreisen. Erst ein dramatischer Vorfall sorgt dafür, dass sie ihre Mauern ganz fallen lassen und sich endlich auch füreinander öffnen. Auch der Hintergrund wirkt austauschbar, folgt den Bildern, die man aus vielen amerikanischen Kleinstadt/Vorstadtgeschichten mit Highschool-Elementen kennt, ist aber nicht wirklich irgendwo in den Staaten zu verorten.

Man versteht schon, dass die Geschichte bei der Zielgruppe zum Hype wurde, fühlen doch viele Leserinnen besonders gerne mit verletzten Seelen mit, die einander durch das Leid dann doch romantisch finden dürfen. Erfahrene Leser werden die sauber - aber nicht überragend - konstruierte Geschichte schnell durchschauen, denn gerade der Epilog rundet das Bild auch noch ab.

„The Tearsmith“ mag zwar interessante Ansätze haben und anfangs durch die versponnene Erzählweise etwas mystisch wirken, entpuppt sich dann aber sehr schnell als typische Romanze mit all den Klischees, die dazu gehören, um einen Bad Boy und die zarte Heldin zusammenzubringen. Die angedeutete, dunkle Vergangenheit ist leider nur Mittel zum Zweck.