Walter Moers: Das Einhörnchen, das rückwärts leben wollte (Buch)

Walter Moers
Das Einhörnchen, das rückwärts leben wollte
Penguin, 2024, Hardcover, 164 Seiten. 28,00 EUR

Rezension von Gunther Barnewald

Erneut hat „Übersetzer“ Walter Moers Geschichten von Hildegunst von Mythenmetz (diesmal ganz ohne dessen typische Abschweifungen) ins Deutsche übersetzt (man muss ihm wirklich sehr dankbar dafür sein, beherrscht er doch als einziger Mensch auf der Welt die Sprache Zamonisch!).

Diesmal hatte Moers aber, wie er im Nachwort gesteht, große Probleme mit seiner „Übersetzung“, ging doch der wunderbare zamonische Humor verloren bei der ersten, allzu wortgetreuen „Übertragung“. Weshalb Moers neu ansetzen musste, mit einer etwas freieren „Übersetzung“, um den Humor zu bewahren. Dies ist ihm auch, zum Glück, gelungen!

Und so kann der geneigte Leser nun in 20 Flabeln (das Wort steht für Lachfabeln) des großen Meisters schwelgen, die alle auf ihre Art einen speziellen Humor entfalten.


Da ist zum Beispiel die kurze und knackige (oder heißt es knackende wegen der berstenden Knochen?) Flabel „Der Beißwolf und das Schmiegehäschen“, die gegen den Strich gebürstet zu sein scheint und in dem ein grausiger Rache-Akt geschildert wird, in dem eine ganze Großfamilie ausgelöscht wird (fast lässt Loriots berühmtes Weihnachtsgedicht grüßen!).

In „Der verantwortungsvolle Biber und der Kristallskorpion“ wird ein auch bei uns sehr bekanntes Märchen (das mit der gemeinsamen Flussüberquerung) aufs Amüsanteste variiert, während in der Titelgeschichte ein Einhörnchen, welches zwanghaft versucht jünger zu werden, indem es alles rückwärts macht, daran tödlich scheitert.

Ganz modern geht es dagegen in „Der yhollisische Trollbluthund und die Kratze“ zu, in die indirekt das Thema Transgender einfließt. Ebenso up to date ist „Die fleischfressende Pflanze, die sich vegetarisch ernähren wollte“.

Und während in „Die zweitausendjährige Schildkröte und die Halbtagsfliege“ das Thema Relativität von Zeit eine Rolle spielt, befasst sich „Der Ubofant, der nur Donnerstags war“ mit der fatalen Entscheidung eines Ubofanten, der damit zufällig seiner Frau freie Bahn für ein neues Leben ohne ihn gibt.

Brutal geht es auch in „Die beiden Vampirgeierbrüder, die immer einer Meinung waren“ zu, in der die beiden Geier-Eltern gegen ihre beiden Nesthockersöhne brachiale Maßnahmen ergreifen.

Dagegen erzählt „Die vier Musiktiere“ die Geschichte einer eher erfolglosen Band, während in „Die neun Dummwölfe und der Schlaufuchs“ letzterem so richtig gar kein Erfolg beschieden ist bei seinem Betrugsversuch.


Insgesamt 20 wunderbare Geschichten voller krudem Humor, die allerdings mehr zum Grinsen als zum lauthals Lachen einladen, auch wenn „Übersetzer“ Moers im Nachwort konstatiert, dass Flabeln immer aus sieben Schmunzlern, drei Lachern und einem Scherzfinale bestehen müssen. Aber so genau sollte man es vielleicht dann auch wieder nicht nehmen mit diesen strengen Vorgaben.

(Und ich frage mich, was Moers oder vielmehr Hildegunst von Mythenmetz aus meinem Tippfehler gemacht hätte, schrieb ich doch beim ersten Entwurf dieser Rezension aus Versehen statt Schildkröte das schöne Wort Schuldkröte!).