Carissa Broadbent: The Ashes and the Star-Cursed King (Buch)

Carissa Broadbent
The Ashes and the Star-Cursed King
(The Ashes and the Star-Cursed King, 2022)
Übersetzung: Heike Holtsch & Kristina Flemm
Carlsen, 2024, Hardcover, 624 Seiten, 22,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Willkommen in Obitraes, einer Welt, in der Mensch und Vampir Seite an Seite leben. Nun ist diese Beschreibung nicht wirklich gänzlich zutreffend, herrschen doch die unsterblichen Vampire und betrachten die Menschen in ihren Slums als rechtlose Nahrung.

Immer wieder gehen sie auf die Jagd, denn, mal ehrlich, was gibt es schon Delikateres, als frisch gejagtes Menschenblut, direkt von der Quelle, die von Angst und Panik erfüllt, ihren Lebenssaft mit wunderbaren Aromen aus Adrenalin und Cortison angereichert hat?

Auch Oraya musste dies bereits in sehr jungen Jahren erfahren. Ihre Familie war bei einem Krieg zwischen den verfeindeten Vampirsippen als Kollateralschaden zwischen die Parteien geraten. Ein paar einfache Vampirkämpfer wollten sich gerade über das schutzlose, verzweifelte Kind hermachen, da schritt ausgerechnet der nachtgeborene König der Vampire ein. Er nahm das Kind in seinen Haushalt auf, zog das Menschenjunge zur toughen Frau heran. Dass er dabei nicht über sie herfiel, kann kaum einer seiner Untertanen glauben, allein, Oraya sah fürderhin in ihm den Vater, den sie nie gekannt hat.

Inzwischen ist sie allein zurückgeblieben. Raihn, ein Vampir-Beau, hat unter ihrer Mithilfe ihren Vater getötet, den Thron gestohlen, der rechtmäßig ihr gehörte, ihr Volk getötet, sie zur Heirat gezwungen und hält sie seitdem in ihrem eigenen Haus gefangen. Nicht unbedingt das, was man von einem treusorgenden Ehemann so erwartet, oder?

Nachts hört er ihr durch die dünne Trennwand zwischen seinem Zimmer und ihrem Kerker zu, wie sie sich in den Schlaf weint - ja, die Eheleute haben getrennte Schlafzimmer.

Der Konflikt zwischen dem neuen Vampirkönig nebst menschlicher Gattin, den menschlichen Rebellen und dem alten, bornierten Vampiradel, spitzt sich in der Folgezeit zu. Mittendrin unsere zwei, die miteinander zwar vielleicht wollen (Rahin) aber nicht können (Oraya); keine wirklich gute Gemengelage - weder für Enemies to Lovers noch für den bevorstehenden Kampf der Rebellen gegen die Vampire…


Nach dem aufsehenerregenden ersten Teil, legt uns Carissa Broadbent und ihr deutscher Verlag relativ schnell den zweiten, abschließenden Teil der Dilogie vor.

Allerdings rieb ich mir bei der Lektüre dann doch etwas verwundert, nein, ich will ehrlich sein, sehr verstört die Augen. Wo ist die selbstbewusste Heldin des ersten Bandes nur abgeblieben? Statt ihr Schicksal mutig in ihre eigenen Hände zu nehmen, ihre Emanzipation auszuleben und den Vampiren zu zeigen, was eine Harke einer Sterblichen nicht für ein schmerzhaftes Ding sein kann, verbringt sie ihre Zeit damit, sich selbst leidzutun.

Ja, sie gibt den Rebellen Hinweise, doch statt sich an die Spitze des Aufstands zu setzen, statt aktiv zu werden, pendelt sie zwischen Trauer und Verlangen nach ihrem Gatten, den sie eigentlich ja hasst, hin und her. Das ist schlicht unglaubwürdig, für die Leserinnen und Leser, die den ersten Teil zurecht so gehypt haben, frustrierend. Wo ist sie, die toughe Frau voller Elan und einer Mission - verwandelt in ein Schmusekätzchen? Von Rache keine Spur.

Dabei hat der Verlag dem Buch wieder jede Menge Aufmerksamkeit gewidmet. Wie beim ersten Teil erwartet uns ein tolles, neugierig machendes Cover, darunter versteckt ein reich geprägter Deckel samt Buchrücken, natürlich darf da das Lesebändchen nicht fehlen und, zumindest bei der Erstauflage, ein Rundumfarbschnitt.

Im Inneren des handwerklich so außergewöhnlich gestalteten Buches aber mehr Langeweile,als die erwartete dramatische Action, die uns alternierend in den zwei Handlungssträngen aus Sicht unserer beiden frisch Vermählten geschildert wird. Die Nebenfiguren bleiben nebulös, die Antagonisten, was deren Charakter und Pläne anbetrifft, ohne große Faszination.

Insgesamt also leider ein Roman, der mich, gerade weil der erste Band so gute, packende Unterhaltung und markante Charaktere bot, tief enttäuschte.