Brent Weeks: Nemesis - Nachtengel & Nemesis - Gemini (Buch)

Brent Weeks
Nemesis - Nachtengel
(Night Angel Nemesis, 2023 (S. 1-420)
Übersetzung: Clemens Brunn
Blanavalet, Paperback, 736 Seiten, 17,00 EUR

 

Brent Weeks
Nemesis - Gemini
(Night Angel Nemesis, 2023 (S. 421-838)
Übersetzung: Clemens Brunn
Blanavalet, Paperback, 752 Seiten, 17,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Willkommen zurück in der Welt der legendären „Schatten-„Trilogie. Es gilt ein Wiedersehen zu feiern mit einem, der aus den Niederungen der Slums zu Ruhm und Ehre aufgestiegen ist.

 

Kylar, einst eine Straßenratte und der Lehrling seines früheren Meister Durzo Blint, ist inzwischen ein, nein, der Meister-Assassine. Mit dem Schwarzen Ka'kari ausgestatt, einem magischen Artefakt, das Kylar in die Lage versetzt, über einen Blick in die Augen eines jeden Lebenswesen zu sehen, ob dieser schuldig oder unschuldig ist, richtet er über Unrecht - das Wörtchen eigentlich sollte ich hier hinzufügen.

Einst, vor den Vorkommnissen am Schwarzen Hügel, hatte er eine geliebte Frau und ein ungeborenes Kind, einen verlässlichen Freund - jetzt der König des von diesem gegründeten Reiches ; seine große Liebe nebst Nachwuchs opferte er damals, um tausende Unschuldiger zu retten.

Sein Alleinstellungsmerkmal: Er kann nicht sterben! Zumindest nicht so lange, wie Menschen, die ihn lieben, ihr eigenes Leben für ihn geben, so dass er von den Toten wieder aufersteht; bei näherer Betrachtung der reinste Horror.

Dann bittet ihn sein Freund, der König, während er und seine Frau sich mit der mächtigsten Monarchin der Welt treffen, auf seine beiden Säuglingskinder aufzupassen - mit einem desaströsen Ergebnis.

Die beiden Kinder werden entführt; ein alter Gegner unseres Nachtengels, ein Wesen, das kein Mensch ist, das über gottähnliche Kräfte verfügt, entführt eines der Kinder auf das riesige Schiff der fremden Monarchin. Verfolgt, unterstützt und erpresst von den Agentinnen der Chantry, versucht unser Nightangel sein Möglichstes, das unschuldige Kind, das mit seiner Magie eine Bedrohung für die Welt darstellt, zu beschützen und zu retten - mit wenig berauschendem Erfolg…


Brent Weeks kehrt in seine Welt der „Schatten“-Trilogie zurück. Es sind viele Jahre vergangen, seitdem wir unserem Anti-Helden in seine Abenteuer gefolgt sind. Weeks ist älter geworden, hat hinzugelernt und präsentiert uns vorliegend nicht nur den Auftakt einer neuen Reihe-– so zumindest der Hinweis, dass es sich bei dem für die Übersetzung gesplitteten Band um den ersten Teil der „Nachtengel“-Saga (im Englischen „Ka'Kari Codex“ genannt) handeln würde, sondern er wechselt auch zu einem Ich-Erzähler. Dazu kommt, dass er seine Handlung mit schwarzem Humor (insbesondere die Dialoge zwischen Kylar und seinem schwarzen Ka'kari bürgen hier für Unterhaltungswert) anreichert. Die Kenntnis der Trilogie, auf die vorliegender Roman aufbaut wäre hilfreich, da doch viele Figuren der ursprünglichen Bände auch vorliegend wichtige Rollen in der Handlung besetzen. Weeks versucht zwar in sehr kurz gehaltenen Zusammenfassungen, die wichtigsten Ereignisse Revue passieren zu lassen, dennoch rate ich, vorab die Trilogie zu goutieren.

Dies vorausgeschickt wartet ein Werk auf uns, das sehr umfangreich ausgefallen ist. Nicht umsonst hat Blanvalet dieses für die Übertragung ins Deutsche in zwei, weiterhin voluminöse Bände aufgeteilt.

Wir begleiten Vi, die sich den Chantry angeschlossen hat, wie sie eine Art Tagebuch liest, in dem Kylar die Ereignisse vor seinem Tod (ist das also so, dass wir am Ende wirklich mit einem Ableben des unsterblichen Nachtengels rechnen müssen?) beschreibt, und ab und an ihre Sicht dazu mit einfließen lässt.

Das heißt, zunächst geht es etwas geruhsam in die Handlung. Ja, diese fängt gleich mit einem Rachemord unseres Assassinnen an, doch dann gilt es zunächst die Figuren kennenzulernen, diese einzuschätzen und die Bedrohungslage aufzubauen.

Als sich die Parteien dann auf dem riesigen, nur mehr von Magie mühsam zusammengehaltenen Schiff in unwirtlicher See treffen, warten jede Menge Wendungen auf uns Leser. Da reiht sich eine gefährliche Situation an die andere - die innere Logik bleibt dabei oftmals auf der Strecke. Dies ist jedoch nicht wirklich wichtig, unterhalten und fesseln uns diese Fährnisse und Entwicklungen doch an die Seiten.

Ein wenig zu kurz kam mir der Aspekt, dass unser Protagonist doch eigentlich ein trauernder Witwer ist, der selbst seine Frau nebst ungeborenem Kind gemeuchelt hat (tja, lesen Sie mal doch schnell die „Schatten“-Trilogie, um herauszufinden, warum er das getan hat). Erfahrene Weeks-Rezipienten ahnen, nein wissen, dass es bei ihm kaum einmal Happy-Ends gibt, dass seine Figuren keine strahlenden Helden sind, sondern gepeinigte, getriebene und gebrochene Wesen, die uns ihre Marter offenbaren. Allzu oft werden ihnen Entscheidungen aufgezwungen, die zu neuem Leid führen, zumeist ist es eine Abwägung zwischen kleineren Übeln. Immer sind diese Entscheidungen aber mit Leid und Tot verbunden. Insofern bleibt Weeks sich, auch wenn die Kampfbeschreibungen gegenüber der „Schatten“-Bände deutlich weniger geworden sind, treu.

Das erinnert an Grimdark-Welten, das liest sich packend aber eben auch nicht wirklich triumphal. Bei der Übersetzung fiel mir ab und an auf, dass der Übersetzer unpassend moderne Ausdrücke und Metaphern genutzt hat, die in einer archaischen Welt fehl am Platz wirken; ansonsten ein Werk, das uns den Alltag vergessen lässt. Sprich: Lesen!