Kreidestriche (Comic)

Miguelanxo Prado
Kreidestriche
(Original: Trado de Tiza edicion 30 aniversario)
Übersetzung: Stephanie Pannen
Cross Cult, 2024, Hardcover, 104 Seiten, 22,00 EUR

Rezension von Christel Scheja

Als „Kreidestriche“ vor dreißig Jahren das erste Mal in einem spanischen Magazin erschien, erregte die Geschichte Aufsehen, durchbrach sie doch das ungeschriebene Gesetz, dass die Comics actionreich und oberflächlich sein müssten. Seitdem hat das komplette Werk immer wieder Preise für seine inhaltliche wie grafische Kunst eingeheimst, so dass nun eine erweiterte Neuausgabe zum Jubiläum erscheint.

 


Nur ein Haus, bewohnt von einer Frau und ihrem merkwürdigen Sohn, steht auf einer Insel weit draußen im Meer, deren Leuchtturm schon lange erloschen ist. Dennoch zieht es immer wieder Besucher auf das Eiland, das weit von den üblichen Routen liegt.

Es sind überwiegend Segler - Privatleute wie der Mann, der sich eigentlich nur erholen will, dann aber auch in den Bann einer geheimnisvollen blonden Frau geschlagen wird, die aber ihre eigenen Vorstellungen vom Leben und intimer Nähe hat.


„Kreidestriche“ wird als einer der Klassiker der spanischen Comic-Literatur bezeichnet, vielleicht auch, weil die Geschichte einmal nicht auf phantastische Elemente und Action setzt, sondern bewusst in ruhigen Bildern eine Geschichte erzählt, die sich eben nicht gleich von selbst erklärt, sondern langsam entwickelt.

Wirklich viel passiert in den ersten Kapiteln nicht, man muss schon zwischen den Zeilen lesen, um zu erkennen, wie sich Beziehungen ausbilden und Gefühle ihren Lauf nehmen. Geheimnisse bleiben still und zurückhaltend, die Ereignisse wirken auf den ersten Blick tatsächlich alltäglich und entfalten ihre wahre Dimension erst bei genauerem Hinsehen und Nachdenken.

Die Zeichnungen sind zudem statisch, gerade die Landschaften haben viel von Gemälden; der Hintergrund ist ein wichtiger Bestandteil der Handlung und nicht nur schmückendes Beiwerk. Alles in allem muss man schon offen sein für eine solche Art des Erzählens, denn die Geschichte lässt viele Fragen offen und in der Interpretation des Lesers, was letztendlich die Intention von Kunst ist.

Wer anspruchsvollere, ja künstlerische Comics mag, der dürfte von „Kreidestriche“ begeistert sein. Alle anderen sollten sich darauf vorbereiten, dass die Zeichnungen zwar recht ansprechend sind, die Handlung aber eher ruhig, hintergründig und am Ende offenbleibt.