Robert Kraft: Ein moderner Lederstrumpf (Buch)

Robert Kraft
Ein moderner Lederstrumpf
Titelbild und Innenillustrationen: Carl Arriens
Verlag Dieter von Reeken, 2024, Paperback, 348 Seiten, 19,50 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Sie kennen bestimmt die berühmten britischen Clubs, die sich vornehmlich in der Metropole des Empires etabliert haben? Die Mitgliedschaft kostet oftmals mehr als ein Jahressalär eines Arbeiters, dafür, dass die Gentlemen ihre Tage dort in Ruhe und Abgeschiedenheit verbringen konnten. Mit einer Zigarre, einem Glas guten Whiskey und der „Times“, werden dort so nebenher auch noch Geschäfte abgeschlossen, Beziehungen gepflegt und so manches Vermögen gemacht oder verspielt.

Was kaum jemandem bekannt ist, ist die Tatsache, dass es auch einen Club gibt, in dem nur alleinstehende Frauen Mitglied werden können. Auch dort ist der Beitrag exorbitant, schließlich will man unter sich sein und bleiben.

Vorhang auf für zwei der Mitglieder eben jenes Clubs. Ellen Howard und Judith Barrilion sind nicht nur äußerlich recht unterschiedlich, auch ihr Naturell unterscheidet sie.

Als die Meldung über einen Deutschen, der mit seinem Fahrrad in 512 Tagen rund um die Welt geradelt ist die Runde macht, bietet Ellen ihrer Konkurrentin eine Wette an: 10.000 Pfund der Einsatz, die Ellen gehören sollen, wenn sie es schafft, wie sie selbst anbietet, die Erde mit ihrem Fahrrad in 300 Tagen zu umradeln.

Natürlich geht es im Hintergrund um die Zuneigung eines Gentleman, um den die beiden Damen ringen.

Gesagt, getan. Ellen bekommt Unterstützung. Ihr Galan engagiert einen Abenteurer, der sie unterstützen soll. Zu Beginn kommt Ellen auch plangemäß voran, dann aber häufen sich Unfälle - ein Schelm, wer Lady Barrilon dahinter vermutet…


Parallel zum zweiten Band von „Um die indische Kaiserkrone“ erscheint vorliegender früher Roman Robert Krafts im Neusatz. Der Verlag präsentiert uns diesen als Paperback-Ausgabe - zu den Gründen verweise ich auf meine bisherigen Ausführungen.

Wer sich die Handlung zu Gemüte führt, der wird unschwer an Jules Vernes bekannten Roman „Reise um die Erde in 80 Tagen“ erinnert. Eine Clubwette, eine Weltumrundung eines Clubmitglieds aus den besseren britischen Kreisen, Abenteuer und Verfolgung - hier orientiert sich Kraft sehr deutlich an dem französischen Vorbild. Dann zeigt der damals noch junge Verfasser, der noch nicht die Erfahrung späterer Jahre als erfolgreicher, ja gefeierter Autor gehabt hat, dass er damals bereits wusste, wie er seine Leserinnen und Leser an die Seiten fesselt.

Es gibt Abenteuer satt. Er besticht mit der farbenprächtigen Beschreibung ferner Gestade, unbekannter Völker und finsterer Machenschaften. Das liest sich, auch wenn Vieles lang überholt ist, immer noch interessant, ja fesselnd und auf einen Rutsch durch. Kraft hat die Gabe besessen, seine Rezipienten ihren oftmals grauen Alltag vergessen zu lassen, ihnen fremde Länder zu präsentieren und jede Menge gefährlicher Situationen - heute gemeinhin als Cliffhanger bezeichnet - zu integrieren.

Als solches bietet der vergleichsweise kurze Roman ein paar Stunden spannende Unterhaltung von Anno Dazumal, die heute noch das Potential hat, zu fesseln.