V. E. Schwab: Die feinen Fäden der Magie - Threads of Power 1 (Buch)

V. E. Schwab
Die feinen Fäden der Magie
Threads of Power 1
(The fragile Threads of Power; 2023)
Übersetzung: Sara Riffel, Petra Huber und Alexandra Jordan
Tor, 2023, Hardcover, 734 Seiten, 24,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Sie denken, Sie kennen die Welt? Sie meinen, Sie seien in London zu Hause? Nun, Sie sind, pardon, ein Ignorant! Was sie bei dieser blasierten Einbildung, die Sie hier an den Tag legen vergessen, ist, dass es vier London in vier verschiedenen Welten gibt, die mittels Magie, über die nur einige Wenige verfügen, bereist werden können.

In der „Weltenwanderer“-Trilogie haben Sie diese Abarten von London kennenlernen können, haben erstmals in die so unterschiedlichen Facetten einer Stadt hineinschnuppern dürfen und sind dabei verschiedenen, wichtigen Figuren begegnet.

Vorliegender Roman beginnt etwas eine Handvoll Jahre nach den in der Trilogie beschriebenen Ereignissen. Dabei dürfen wir neue Gestalten kennenlernen, es gibt wieder jede Menge Gefahren, Verschwörungen, Bösewichter und Heldentum - ergo, nichts wirklich Neues.


Doch beginnen wir am Anfang der Geschichte. Vorhang auf für Tesali Ranek, eine junge Frau, beinahe noch ein Mädchen, das Magie als Fäden sehen und, was viel wichtiger ist, auch bearbeiten kann. Folgerichtig betreibt sie in Red London eine Reparaturwerkstatt für einen angeblichen Meister - mal ehrlich, wer würde einer jungen Gör seine magischen Preziosen zur Reparatur anvertrauen? - und widmet sich mit erstaunlichem Erfolg dem Metier, kaputte Fäden neu zu knüpfen. Wüsste er von ihr, würde selbst Alucard Emery, der Gemahl und Leibwächter des Königs, seinen Hut vor ihrer Kunst ziehen. Alucard vermag zwar die Fäden wahrzunehmen, umgestalten aber kann er sie nicht.

Dazu hätte er auch momentan keine Zeit, bedroht eine Geheimsekte, die „Hand“, doch das Königreich, macht den König für das Schwinden der Magie verantwortlich und ruft zur Rebellion auf. Einem ihrer Assassinen gelingt es gar, dem König ein Schwert in die Brust zu stoßen und ihn zu ertränken - beides erfolglos, kann der Monarch doch nicht sterben, solange er magisch mit seinem Bruder Kell verbunden ist.

Womit wir bei Delilah Bard - Lila - angelangt wären, der Kapitänin der „Grey Barron“, dem Schiff, das sie von Alucard übernommen hatte, als es noch Night Spire hieß. Lila ist eine Antari, die stärkste Magierin der Welt; es gab nur wenige, die ihr an Macht gleichkamen. Alucard beauftragte sie, verdeckt zu arbeiten, um alles über die Hand herauszufinden, was sie konnte.

Als Agenten der Hand eine magische Tür finden, die einmal geöffnet offenbleibt und die Nutzung durch alle Menschen erlaubt, scheint deren Zeit gekommen zu sein. Die Tür würde ihren Agenten erlauben, direkt in das streng gesicherte Anwesen des Königs zu gelangen, ohne dass sie aufgehalten werden könnten. Dumm dabei nur, dass bei der Beschaffung der magischen Tür selbige beschädigt wurde. Hier kommt dann Tes ins Spiel, die die Tür reparieren soll. Das erinnert dann an das Dilemma um Pandoras Büchse - einmal wieder instandgesetzt, könnte das Artefakt ganze Welten bedrohen…

So nebenbei versucht Kosika als Erbin König Holland Vosijks. im weißen London die Magie wieder freizusetzen.


Wie man sieht, hat die Verfasserin ihre neue Trilogie auf dem Fundament der bekannten Welten aufgebaut. Wer die ersten Romane nicht gelesen hat, der erhält, peu à peu eine rudimentäre Zusammenfassung des Plots, steht aber der Handlung und mehr noch den Figuren zunächst ein wenig ratlos gegenüber.

Dazu kommt, dass Schwab uns im ersten Fünftel des Buchs mit Figuren regelrecht vollschmeißt. Es geht munter hin und her, Charaktere werden eingeführt, verschwinden wieder und ihre Aktionen haben - auf den ersten Blick - so eigentlich gar nichts miteinander zu tun. Dies erschwert die Lektüre gerade zu Anfang nicht unwesentlich.

Das Pfund, mit dem die Autorin auch vorliegend wieder wuchert sind neben ihrem ganz eigenen Magie-System, natürlich die starken Charaktere. Hier gesellen sich zu den bekannten Protagonisten neue Handlungsträger, die sie uns kredenzt. Wie wir dies von ihren anderen Romanen kennen und schätzen, sind diese vielschichtig und griffig gezeichnet, schlicht in ihren Handlungen nachvollziehbar und in ihren Gefühlen glaubhaft.

Auffällig, dass vorliegend neben der Hausübersetzerin von Schwab, Petra Huber, auch noch zwei andere Übersetzerinnen mit der Übertragung des Romans befasst waren. Während der Lektüre sind mir hier aber keine merklichen Unterscheide im Text aufgefallen.

Alles in allem ist dies eine erstaunlich gelungene Fortsetzung der bisherigen Handlung, die insbesondere durch die neu eingeführten Figuren besticht, darüberhinaus die Stärken der Verfasserin erneut sichtbar werden lässt und nach einem etwas verwirrenden Beginn spannend zu fesseln weiß.