Ralph Alexander Neumüller: Das Stoffuniversum (Buch)

Ralph Alexander Neumüller
Das Stoffuniversum
Titelbild: Alfred Kelsner
p.machinery, 2023, Paperback, 220 Seiten, 16,90 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Können Sie sich etwas Schlimmeres vorstellen, als immer wieder von Neuem in einer Ihnen fremden Umgebung aufzuwachen? So ein klein wenig, wie in „Und täglich grüßt das Murmeltier“, nur eben, dass unser Protagonist Frank nicht einen Tag immer wieder von Neuem erlebt, sondern alle paar Tage bestenfalls Wochen in einem anderen Leben aufwacht.

Schaut er in den Spiegel, dann sieht er sich manches Mal von Krankheit und Siechtum gezeichnet, oder aber als Erfolgsmensch mit etwas zu viel Speck auf den Hüften. Letzteres wäre ja ganz annehmbar, auch in heile Familienidylle wird er durchaus ab und an versetzt, nur, dass niemand ihn, das Ich in dem Körper, wirklich kennt, das macht ihm zusehends zu schaffen.

Dank der Bekanntschaft eines Professors, dem er sich anvertraut, gelangt er zur Erkenntnis, dass es andere wie ihn gibt, geben muss. In Wien kommt es zum Treffen der einsamsten Menschen der Welt…


Eigentlich wollte ich den Roman schon zur Seite legen, mich einem anderen Werk widmen, da dachte ich, na wage einmal einen Blick hinein. Gut, sehr gut, dass ich dies getan habe, denn das Gebotene hat mich rundweg überzeugt!

Neumüller weiß, wie man eine Geschichte kreiert, bietet uns auch stilistisch einen versierten Text und mehr noch, ist ein intelligenter Autor.

En passant lässt er Vieles in seinen Plot einfließen. Da geht es um die immer mehr um sich greifende Einsamkeit des Individuums, aber auch um Hoffnung, vielleicht doch noch den Partner für eine glückliche Beziehung zu finden. Hier hat der Autor uns mit seiner einfühlsamen Zeichnung Franks einen wunderbaren Charakter kredenzt, in dessen Stimmungslagen ich mich bestens hineinversetzen konnte.

Die verschiedenen Welten, in denen Frank erwacht, bieten dem Verfasser die willkommene und gut genutzte Gelegenheit, uns jeweils eine Erde vorzustellen, in und auf der sich die Menschen vernünftiger verhalten haben als in unserer Realität (ja, es gibt auch apokalyptische Erden). Da gibt es zum Beispiel einen Planeten, auf dem sich die Meisten auf Luxusfahrrädern fortbewegen, die Erderwärmung wurde gestoppt, Kriege und Hunger ausgemerzt - ach wäre dies doch Realität!

Alles in allem, ein leiser, fast schon pittoresker Roman, der herrlich unkonventionell mit der Frage „Was wäre wenn“ spielt, uns einen sehr einfühlsam gezeichneten Erzähler kredenzt und durchaus spannend und handwerklich ansprechend zu unterhalten weiß.