Chloe Neill: Frisch gebissen – Chicagoland Vampires 1 (Buch)

Chloe Neill
Frisch Gebissen
Chicagoland Vampires 1
(Some Girls Bite)
Aus dem amerikanischen Englisch von Marcel Bülles
Titelillustration von Trigger Image
Lyx, 2011, Taschenbuch mit Klappenbroschur, 428 Seiten, 9,95 EUR, ISBN 978-3-8025-8362-9

Von Carsten Kuhr

Merit ist ein Name, der in Chicago einen ganz besonderen Klang hat. Nicht nur, dass der Immobilienmogul zu den begütetsten und einflussreichsten Männern der Metropole zählt, dass er mit dem Bürgermeister auf Du und Du steht, auch seine Familie muss den selbsternannten, hohen Ansprüchen standhalten.

Das schwarze Schaf ist die jüngste Tochter des Clans. Statt, wie ihr Vater erwartet, einen bedeutenden Mann der Stadt zu ehelichen und sich fürderhin dem Produzieren von Nachwuchs sowie der Schönheit und dem Luxus zu widmen, wagt sie es doch wirklich, eine wissenschaftliche Karriere anzustreben. Doch dann, eines nachts, schlägt das Schicksal erbarmungslos zu. Als die Vampire vor ein paar Monaten ihr Coming Out hatten, hat unsere Ich-Erzählerin noch entnervt den Fernseher abgeschaltet. Als sie nun nächtens auf dem Campus einer der unsterblichen Blutsauger überfällt und ihr den Hals aufreißt, vergeht ihr das Lachen. Dass sie vom Lehnsherrn des Hauses Cadogan gerettet und, ohne sie zu fragen, in eine Vampirin gewandelt wird, erweist sich als Danaergeschenk. Zwar ist sie nun unsterblich, ihre Schönheit konserviert, gleichzeitig aber muss sie sich dem strengen, hierarchischen Kodex der Vampire unterwerfen. Und das bei einem solchen Freigeist, einer Rebellin par Exzellenz. Kein Wunder, dass die Fetzen fliegen, sobald sich die beiden so Ungleichen begegnen – auch wenn der Anführer des Hause Cadogan äußerlich einem gewissen David Beckham ähnlich sieht, und in der seit vierzehn Monaten ohne ein Date auskommenden Merit fast vergessene Gefühle weckt. Doch um den Vampirrenegaten, der unschuldige Frauen anfällt und am Tatort Hinweise auf das Haus Cadogan zurücklässt, zu fassen, müssen die beiden Streithähne zusammenarbeiten – gar nicht so einfach, wenn die Libido immer dazwischenfunkt…

Chloe Neills Roman-Erstling fügt sich nahtlos in den Kanon der romantischen Vampirromane der letzten Jahre ein. Dabei nutzt sie geschickt bekannte Versatzstücke erfolgreicher Vorbilder, reichert diese mit einigen eigenen Ideen an und legt ein flüssig zu lesendes, durchaus spannendes Werk vor. Wer im Sub-Genre noch nicht viel unterwegs war, der wird hier gut unterhalten, alle erfahrenen Vampirjunkies werden auf allerlei Bekanntes treffen.

Insbesondere die Hochstilisierung der körperlichen Attraktivität der Blutsauger wirkte auf mich hierbei ein wenig arg übertrieben. Anscheinend sind Akne, Übergewicht oder disproportionale Gesichtszüge bei den Nosferatu, wie Armut auch, schlicht unbekannt. Stattdessen erwarten den Leser schöne Körper beiderlei Geschlechts – natürlich standesgemäß in edlen Zwirn gekleidet und tipp-topp herausgeputzt. „Die Katastrophe kommt, das Haar sitzt“, um einen uralten Werbeslogan einmal ein wenig abzuwandeln. Das entführt den Leser in eine Welt des Luxus und der Ausschweifungen, der Intrigen und der Geheimnisse. Natürlich interessiert sich keiner für die Erlebnisse eines Underdogs, ist ein armer, verfetteter Schlucker als Protagonist weit weniger reizvoll, als sich in die Haut eines umwerfend schönen Körpers hineinzuversetzen. Gerade dies macht ja einen Großteil des Reizes der Romancies aus, dass wir davon träumen können, wie es wäre, wenn. Dennoch wird der Geschmack derartiger Werke auf Dauer ein wenig schal.

Der Auftakt der Reihe „Chicagoland Vampires“ bietet entsprechendes Lesefutter, das sich stromlinienförmig in der Phalanx der entsprechenden Serien einfügt, nicht mehr, nicht weniger.