Jim Butcher: Blendwerk - Die dunklen Fälle des Harry Dresden 15 (Buch)

Jim Butcher
Blendwerk
Die dunklen Fälle des Harry Dresden 15
(Skin Game, 2014)
Übersetzung: Dominik Heinrici
Blanvalet, 2023, Taschenbuch, 670 Seiten, 12,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Harry Dresden stirbt. Ja, jetzt kommen Sie mir damit, dass er ja schon einmal tot war, dass das also nicht wirklich schlimm sein kann - er hat ja schon Erfahrungen gesammelt.

Das ist, wie so Vieles im Leben, nicht ganz falsch, aber, und das ist ein riesengroßes ABER: wenn einem ein Parasit im Gehirn sitzt, der unbedingt da rauswill, dann relativiert sich die Sache mit dem „Erfahrung haben“ vielleicht etwas.

Nicht genug, dass teuflische Kopfschmerzen einen Dreck im Vergleich zu den bohrenden Versuchen des Parasiten sind, auszubrechen, Mab, die Königin der Luft und der Finsternis, besucht ihren Winterritter und eröffnet ihm, dass ihm genau drei Tage bleiben, um den Mitbewohner endgültig loszuwerden.

Wenn Sie jetzt aber glauben, dass Harry seine nächsten 72 Stunden damit zubringt, den Parasiten zu bekämpfen, dann kennen Sie Mab nicht. Sie hat eine Aufgabe für ihren Winterritter, bei der dieser seinem alten Widersacher, halt Feind, nein eher Todfeind, dem Denarier Nicodemus Archleone, bei einem Diebstahl helfen soll.

Dass ein Tresor ausgeräumt werden soll, nun gut. Dass dieser Wertschrank allerdings Hades, ja dem Herrscher der Unterwelt gehört, verkompliziert die Sache. Dass Harry und Nicodemus sich gegenseitig möglichst schmerzhaft umzubringen gedenken, macht die Aufgabe - interessant, zumal ihrer beider Töchter eine gewisse Rolle spielen.


Wir nähern uns dem Ende der Neuauflage und der Erstpublikation der abschließenden (?) zwei Romane.

Lassen wir die Geschichte der wohl besten Urban-Fantasy-Reihe noch einmal kurz Revue passieren. Die ersten sechs Bände erschienen unter der Ägide Timothy Sonderhueskens bei Knaur - und floppten. Begeisterte Rezensenten allerorts, doch die breite Leserschicht ging an dem eigenwilligen Hexer aus Chicago vorbei. Zu wenig platte Erotik, dafür zu interessante Figuren, das verkaufte sich nicht. Als Knaur schweren Herzens beschloss, die Serie zu canceln, ergriff Oliver Hoffmann die Chance und sicherte sich die Reihe für Feder & Schwert. Und siehe da, trotz nachvollziehbarer Preiserhöhung schaffte er das, was dem großen Verlag misslang: Er brachte Harry an die Leser. Zunächst durch Mund-zu-Mund-Propaganda, dann nahm der Zug bildlich gesprochen Fahrt auf und die Verkaufszahlen und Nachauflagen stiegen. Dazu kam eine gerade für einen Kleinverlag sensationelle Geschwindigkeit, mit der die Romane übersetzt und gedruckt wurden. Dann schlug das Schicksal erneut zu. Der Verkauf von Feder & Schwert an einen anderen Verlag führte dazu, dass, als dieser Mutterverlag in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet, auch Feder & Schwert dichtmachen musste. Jahre dauerte es, bis Holger Kappel als verantwortlicher Lektor bei Blanvalet das Risiko einging, die Serie noch einmal neu aufzulegen und zu Ende zu führen. Blanvalet hatte mit Benedict Jackas Alex-Verus-Romanen bereits Erfahrungen und Erfolge einfahren können und wirklich, dieses Mal waren die Leser und Käufer da.

Inhaltlich gab es für den Fan des skurrilen Privatdetektivs und Magiers des Weißen Rats Einiges zu schlucken. Nicht länger war Harry nur der Renegat, das Gewissen und der Beschützer Chicagos vor dem übernatürlichen Bösen, er arrangierte sich mit den Mächtigen, war aber dennoch immer noch unser liebenswert bärbeißiger Kauz, der vor Niemand sein Haupt beugt.

Nach einem Ausflug ins Reich der Toten und als Geist auf den Straßen Chicagos darf er nun als Winterritter sein Dasein, von der Gnade Mabs abhängig, fristen. Seine bedingungslose Liebe zu seiner Tochter wird hierbei ebenso glaubwürdig und unsentimental beschrieben, wie sein innerer Kampf gegen die ungeliebte Rolle als abhängiger Ritter.

Dabei überholt Butcher sich vorliegend so manches Mal selbst, packt er meines Erachtens ein wenig arg viel in seinen Plot: altgriechische Götter, die Denarier, Erzengel und Aliens - das ist fast ein wenig zu viel für nur einen Roman. Dazu kommt, dass das Buch sich sehr… nennen wir es einmal actionreich anbietet. Da wird gekämpft, gefightet und geschlachtet, was das Zeug hält, alles natürlich wie gewohnt, ohne sich groß um Wahrscheinlichkeiten oder Logik zu kümmern.

Das ist aber auch Nebensache, wenn unser Underdog einmal mehr seine kümmerlichen Kräfte mit Göttern und ähnlich starken Gegnern misst.

Überdreht, übertrieben, haarsträubend - aber eben auch ungeheuer kraftvoll und temporeich, so dass die Lektüre wie von selbst geht. Zwar nicht unbedingt der allerbeste Harry-Dresden-Roman, und für Erstleser aufgrund der komplexen Verweise auf bisherige Ereignisse ungeeignet, aber für die vielen Fans ein Fest.