Patrick Hertweck: Der letzte Rabe des Empire (Buch)

Patrick Hertweck
Der letzte Rabe des Empire
Carlsen, 2023, Taschenbuch, 480 Seiten, 10,00 EUR

Rezension von Christel Scheja

Bereits 2021 erschien „Der letzte Rabe des Empire“ bei Thienemann. Dort bestehen auch die eBook-Rechte weiter, das Taschenbuch aber erscheint bei Carlsen. Der Autor scheint sich auf das 19. Jahrhundert spezialisiert zu haben, denn es ist nicht sein erster Roman, der in dieser Zeit spielt, wenngleich auch der erste in England.


London im Jahr 1888. Eine grausame Mordserie im Stadtteil Whitechapel versetzt die Bevölkerung in Angst und Schrecken. Der Mörder, inzwischen Jack the Ripper genannt, scheint sich auf eine ganz bestimmte Gruppe von Einwohnern zu konzentrieren.

Vor allem für den Straßenjungen Melvin ergeben sich schon bald Zusammenhänge, sind ihm doch die Opfer mehr oder weniger alle bekannt. Und nun tut er alles, um die Letzte von ihnen zu retten: Mary Kelly. Doch schon bald gerät er nicht nur an vier seltsame Männer, sondern auch in das Spinnennetz dunkler Intrigen.


Was zunächst wie ein typischer Jack-The-Ripper-Krimi wirkt, ist schon bald weitaus mehr, denn der Autor lässt es sich nicht nehmen, einerseits übersinnliche Elemente einzubringen, andererseits aber auch Verbindungen zur Vergangenheit zu knüpfen, die es in sich hat. Zudem kommt ihm zugute, dass er offensichtlich ausführlich über das damalige Leben in der Hauptstadt recherchiert hat, das für die ärmsten Schichten der Gesellschaft nicht gerade angenehm war.

Mit viel Ambiente wird das Leben in den Elendsvierteln in Szene gesetzt. Melvin verdient seinen Lebensunterhalt mit Tagelöhner-Arbeiten, Botengängen und nicht zuletzt auch dem einen oder anderen Diebstahl. Doch schon bald merkt er, dass es jemand auf ihn abgesehen hat, und das liegt nicht nur in seiner Beziehung zu den Opfern. Vier geheimnisvolle Männer, über denen ein düsterer Fluch liegt, werden nicht nur zu Beschützern, sondern auch Mentoren in einem Spiel, das weit in die Vergangenheit zurück reicht und eine andere düstere Legende berührt.

Spannend und auch für jugendliche Leser verständlich, setzt der Autor das Abenteuer in Szene, das gekonnt Mystery, Krimi und historisches Ambiente miteinander vermischt. Er verbindet zwei düstere Legenden miteinander und gibt so dem Rätsel um Jack the Ripper eine neue Dimension. Zudem bekommt der Titel im Verlauf des Buches auch noch einen Sinn, spielt er doch auf eine weitere interessante Legende an.

Die wichtigen Figuren sind gut ausgearbeitet, vor allem Melvin und sein direktes Umfeld fühlen sich ausgesprochen authentisch an, was ihre Denkweise angeht. Und selbst die vier verfluchten Männer sind trotz ihrer übersinnlichen Kräfte keine Superhelden.

Alles in allem wird die Geschichte gelungen aufgebaut, die Hinweise sind gut über das Buch verteilt, so dass die Handlung niemals langweilig wird. Und auch erfahrene Leser werden so manche überraschende Wendung genießen können, so dass die Geschichte auch für sie spannend bleibt.

„Der letzte Rabe des Empire“ ist ein historischer Krimi mit Mystery-Elementen, der durch den dichten Hintergrund, das gut aufgebaute Abenteuer und die vielschichtigen Figuren nicht nur für junge Leser ab Zwölf, sondern auch Erwachsene von Anfang bis Ende spannend und interessant bleibt.