Leo am Bruhl: Treibhaus des Grauens (Buch)

Leo am Bruhl
Treibhaus des Grauens
Dunkelgestirn, 2023, Hardcover, 408 Seiten, 46,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Eric Hantsch legt uns ein neues, wiederum handwerklich sehr gediegen gestaltetes bibliophiles Werk in seiner Edition Dunkelgestirn vor. Erneut fruchtet die Zusammenarbeit mit dem Phantastik-Kenner Lars Dangel, der die Auswahl und Editierung verantwortet sowie zudem ein informatives Nachwort beisteuert.

Vorliegend hat Lars Dangel sich, wie er selbst ausführt, einen Traum erfüllt. In diesem umfangreichen ersten Band hat er 37 der rund 70 phantastischen Erzählungen eines inzwischen vergessenen Verfassers aus unterschiedlichsten Periodika gesammelt und neu zugänglich gemacht.

Was aber hat ihn dazu bewogen, viel Geld zum Erwerb der Quellen in die Hand zu nehmen, tage- ja wochenlang zu recherchieren, zu verifizieren und zu vergleichen? Noch dazu zu einem Autor, dessen Name damals nur wenigen bekannt war und der mittlerweile zu den vergessenen Kulturschaffenden der Ära zählt?

Dangel führt hierzu aus: „Rund die Hälfte seines Werks lässt sich der Phantastik zuordnen. Mitternacht, eine Herrenrunde und dazu Themen wie Seelenwanderung, Telepathie, Telekinese, Astralreisen und andere okkult-spiritistische Erscheinungen, die in den 20er Jahren Hochkultur haben, interessieren ihn ebenso wie Millionen andere auch, und sind das geläufige Gerüst für Bruhls Geschichten.“ (Seite 393).

Ich machte mich also mit Neugier und Interesse an die Lektüre des umfangreichen Buches.

Auffallend gleich bei den ersten Geschichten, dass der Verfasser es versteht, seine Leserinnen und Leser an die Hand zu nehmen und in damals exotische Gebiete zu entführen. Anders als heute waren Zeitungen und vergleichbare Periodika damals immer auch bemüht, ihren Käufern in jeder Ausgabe unterhaltsame Geschichten zu offerieren. Und mit was ködert ein versierter Verfasser seine Rezipienten? Mit fernen Gestaden, die der Leser allenfalls aus dem Schulunterricht kennt, oder gar merkwürdige, unerklärliche Vorfälle und Geschehnisse wecken naturgemäß die Faszination und die Neugier. Dass so manche Geschichten mehrfach, teilweise unter neuem Titel, in den unterschiedlichen Zeitungen Verwendung fanden beweist, dass Bruhl den „Nerv der Zeit“ getroffen hatte.

Mehr noch: auch heute noch - auch ich wurde von den Erzählungen in deren Bann gezogen. Dabei bestechen die Beiträge durch interessante Anlagen, einem zumeist exotischen Handlungsort, erstaunlich lebensechte Charaktere und einem unvorhersehbaren Plot-Twist.

So ist auch dies erneut ein Titel der Edition Dunkelgestirn, der uns einen zu Unrecht vergessenen Autor vorstellt, dem es in den zumeist recht kurzen Storys scheinbar mühelos gelingt, seine Leser zu unterhalten und in seinen Bann zu ziehen. Wie inzwischen schon gewohnt in handwerklich toller Qualität mit wunderbar passenden Farbillustrationen angereichert, erwartet uns so ein gewollt ohne Gewinnabsicht sehr moderat kalkuliertes Buch, das die Neugier auf weiteres entsprechende Lesefutter Leo am Bruhls weckt.