Der magische Fisch (Comic)

Trung Le Nguyen
Der magische Fisch
(The Magic Fish, 2020)
Übersetzung: Martin Knopp
Crocu, 2023, Paperback, 256 Seiten, 25,00 EUR

Rezension von Christel Scheja

Trung Le Nguyen ist ein Comiczeichner und Illustrator, der heute in Minnesota lebt. In „Der magische Fisch“ bringt er auch ein wenig von seiner eigenen Familiengeschichte mit ein, denn wie die Hauptfiguren in diesem Abenteuer sind auch seine Eltern Einwanderer gewesen, die mit Vielem zu kämpfen hatten, die sich aber auch eine besondere Kommunikationsmethode aufbauten.


Tién ist ein stiller, in sich gekehrter Junge, der seinen Eltern immer wieder gerne die Märchen vorliest, die er sich in der Bibliothek ausleiht. Anders als sie hat er weniger Schwierigkeiten, sich in der englischen Sprache zurechtzufinden. Aber er kann ihnen auch noch nicht alles sagen. Das quält ihn sehr, auch wenn er Zeit bekommt, nach einer Lösung zu suchen, als seine Mutter zur Beerdigung ihrer Großmutter nach Hause fährt. Und es scheint, als würden gerade die Märchen eine Möglichkeit bieten, sich mitzuteilen.

 

Die fein und liebevoll gezeichnete Geschichte, die tatsächlich an Märchen-Illustrationen erinnert, nimmt sich die Zeit, die Familiendynamik aufzubauen und gleichzeitig eine ganz andere Ebene mit einzubringen. In einer dritten erfährt man auch, was die Eltern dazu getrieben hat, ihre Heimat Vietnam zu verlassen und wie schwer sie es haben, sich von ihren Wurzeln zu lösen, vor allem die Mutter. Aber auch hier scheinen die Märchen eine Antwort zu geben.

Ob nun „Allerleirauh“, „Aschenputtel“ oder „Die kleine Meerjungfrau“, die Märchen werden mit sehr bekannten Elementen präsentiert - aber nicht unbedingt immer mit dem Ende, welches man traditionell erwartet -denn hier vermischen sich die Kulturen. Gleichzeitig dienen die Erzählungen auch dazu, sich einander mitzuteilen, ob es nun der Sohn gegenüber der Mutter ist, die Tante gegenüber ihrer Nichte und nicht zuletzt auch am Ende die Mutter gegenüber ihrem Sohn.

Die Probleme, die sich auftun, werden auf sehr feinfühlige und warmherzige Art eingebracht, die Handlung selbst bleibt auf einem realistischen und glaubwürdigen Niveau, selbst die Märchen wirken erstaunlich geerdet. Die Graphic Novel richtet sich allerdings nicht an kleine Kinder, sondern eher an Leser ab zehn Jahren, die die Gegenwartsebene schon besser nachvollziehen und sich vielleicht sogar in Tién wiederfinden können.

„Der magische Fisch“ ist eine liebenswerte und einfühlsame Geschichte, die zeigt, dass man auch über eine magische Ebene hinweg miteinander Probleme kommunizieren kann, wenn normale Worte nicht ausreichen. Und auch die relativ bekannten Märchen, die in die Handlung eingebunden werden, bekommen einen modernen Twist.