Maddrax 621: Im Reich der Nocturno, Lara Möller (Buch)

Maddrax 621
Im Reich der Nocturno
Lara Möller
Bastei, 2023, Romanheft, 68 Seiten, 2,40 EUR

Rezension von Matthias Hesse

Phantastikbegeisterten ist Lara Möller vermutlich vor allem für ihre Romanbeiträge zum „Shadowrun“-Universum bekannt, seit Kurzem schreibt sie auch für „Maddrax“. Nun liegt ihr zweiter eigenständig verfasster Band für die Serie vor, und dieser ist nichts weniger als der Auftakt zu einer fünf Episoden umfassenden, in sich abgeschlossenen Geschichte - von Bastei selbst als „Mini-Zyklus“ bezeichnet und basierend auf einer Idee von: Lara Möller.

Wie die Autorin selbst in einem Werkstattbericht durchblicken lässt, ist mit „Im Reich der Nocturno“ der wohl dialogärmste Roman ihrer Schriftstellerinnen-Laufbahn entstanden. Was nicht überrascht, wenn man miterlebt, wer die titelgebenden Nocturno sind. Spannungsarm jedenfalls ist die Episode sicher nicht.

 

Mit der Gemeinschaft der Nocturno spannt Lara Möller den Genre-Bogen weit in Richtung Fantasy. Während ihrer Expedition in die Todeszone brechen Matt Drax, Haaley und das „Nimitz“-Besatzungsmitglied All‘ec samt Amphibienpanzer in ein unterirdische Höhlensystem ein, wo sie auf ein seltsames Volk stoßen. Nachdem ein Komet die Erde unbewohnbar gemacht hat, haben 500 Jahre Evolution aus einer Gruppe einfacher Menschen, die in der Tiefe Zuflucht fanden, eine humanoide Spezies gemacht, die sich matriarchalisch organisiert, telepathisch oder über Distanz mit schrillen Lauten verständigt, eine eigene Physiognomie ausgebildet hat und einen unterirdischen See als Heiligtum verehrt, der wahrhaft magische Eigenschaften besitzt.


Dass die drei Eindringlinge just in diesem Gewässer meinen ein Bad nehmen zu müssen, wirkt vom Plotting her etwas bemüht, bildet aber den einzigen Schwachpunkt des Heftes, über den man lässig hinwegsehen mag. Denn erst so kann die Begegnung mit den Unterirdischen stattfinden, und all die spannenden und höchst tragischen Ereignisse des Romans auch.

Hat Möller ihren Roman zunächst wie ein Pen-und-Paper-Abenteuer mit klarem Fokus auf abenteuerliche Zwischenfälle (wie etwa Haaley dem Verdauungstrakt der Riesen-Anaconda entkommt, ist eine Räuberpistole, die eines Old Shatterhand würdig wäre) konzipiert, verdichtet sich die Geschichte in der zweiten Hälfte und stellt auch behutsame Bezüge zu anderen Handlungselementen her, etwa den rätselhaften Baumwesen, ohne dabei an Einsteigerfreundlichkeit einzubüßen. Dabei bedient sie sich eines bewährten Konzeptes aus dem „Maddrax“-Baukasten: Parallel zu den Geschehnissen der Gegenwart zeigen Rückblenden, wie es nach dem Meteoriten „Kristofluu“ über Generationen zu der Situation kam, mit der die Helden nun umzugehen haben. In Gefangenschaft geraten, ohne funktionierende Kommunikation und mit den tragischen Folgen eines Unfalls konfrontiert, ist das wahrhaftig keine leichte Sache. Auf Seiten der Nocturna ist es vor allem die junge Tautropfen, die für emotionale Bindung sorgt. Doch erst die Wendung zu einem ziemlich fiesen Cliffhanger macht aus einem guten einen besonderen Heftroman.

Lara Möller schreibt in ihrem Werkstattbericht, dass sie selbst neugierig ist, was die nachfolgenden Autoren mit ihrer Prämisse anstellen. Anders als in einer anderen großen Serie gibt es nämlich keinen „Expokraten“, dessen Vorgaben für das komplette Autorenteam bindend sind. Das freie Spiel freier Phantasten bestimmt die übergreifende Handlung von „Madddrax“, wobei die Stringenz bisweilen auf der Strecke bleiben mag. Langeweile kommt hingegen selten auf.