Jim Butcher: Weiße Nächte - Die dunklen Fälle des Harry Dresden 9 (Buch)

Jim Butcher
Weiße Nächte
Die dunklen Fälle des Harry Dresden 9
(White Night, 2007)
Übersetzung: Dominik Heinrici
Blanvalet, 2023, Taschenbuch, 608 Seiten, 12,00 EUR

 

Rezension von Carsten Kuhr

Harry Dresden, Magier, Enfant terrible, Rebell - so kennt ihn nicht nur der Weiße Rat, auch seinen Freunden gab er so manches Mal Anlass für schlaflose Nächte und grauen Haarwuchs. Doch jetzt hat er die wilden Jahre seiner Jugend hinter sich gelassen, er hat es geschafft. Nicht nur, dass er den Bösen so richtig in den Arsch getreten hat, nein, ausgerechnet er wurde zum Wächter des Weißen Rats berufen!

Chicago gehört ihm, und so erbost es ihn über alle Maßen, als er erkennen muss, dass in der Stadt, die unter seinem Schutz steht, magiebegabte Frauen ermordet werden. Zwar sieht es an den Tatorten so aus, als ob sich die Opfer selbst umgebracht hätten, doch subtile Hinweise, die sich nur einem Magier erschließen weisen darauf hin, dass Gewaltverbrechen vorliegen.

Ein übernatürlicher Serienkiller geht um in Chicago - und alle Hinweise deuten auf Harrys Halbbruder Thomas.

So macht er sich, begleitet von seinem Hund Mouse, auf die Suche nach dem Täter - und stößt auf rivalisierende Vampirhäuser des Weißen Hofes, eine ganze Gruppe Verdächtiger, Ghule und Vampire, alte wie neue Gegner und verführerische Hilfe. Nicht nur seine Auszubildende Molly, auch seine erste Freundin aus Jugendtagen Elaine und Murphy, die die übernatürliche Polizeieinheit Chicagos, leitet stehen ihm tatkräftig zur Seite.

Doch aller Spürsinn zum Trotz, findet sich Harry in Begleitung seines Wächterkollegen Ramirez letztlich im tödlichen Zweikampf mit zwei Vampiren am Weißen Hof wieder. Wie auch immer er sich schlagen wird - und es sieht für unseren Magier gar nicht gut aus -, am Ende gibt es nur einen großen Gewinner, die Vampire.

Doch davon lässt Harry sich nicht aufhalten. Ihm geht es einmal mehr darum, dem Bösen Einhalt zu gebieten, auch wenn ihn das sein Leben kosten wird - oder schüttelt er doch noch ein As aus dem Ärmel?


Unser herrlich chaotisch-liebenswerter Protagonist hat sich etabliert. Nicht nur, dass ausgerechnet er, der seit Jahren vom Weißen Rat misstrauisch verfolgt und überwacht wurde, nun selbst dem Establishment angehört, er hat auch die Verantwortung für eine Nachwuchsmagierin übernommen. Da sollte man eigentlich meinen, dass sein Leben in etwas ruhigeres Fahrwasser münden würde - doch weit gefehlt.

Zwar tut ihm die ungewohnte Rolle eines Lehrers gut, verschafft sie ihm doch selbst einen ganz anderen Zugang zu seinen Kräften und lässt ihn ein wenig überlegter agieren, doch seine Impulsivität, sein explodierendes Naturell will sich einfach nicht besänftigen lassen.

Hier zeichnet uns der Autor einen Protagonisten, in dessen Inneren zwei Seelen - vielleicht auch drei - miteinander in Widerstreit liegen. Der aufbrausende, cholerische Charakter, der gegen jegliche Ungerechtigkeit aufbegehrt und der Mann, der leidvoll gelernt hat, dass ein wenig Zurückhaltung und Planung nur von Vorteil ist, um sein Ziel zu erreichen. Kein Wunder, dass er über seinen Schatten springt und Hilfe an ungewöhnlichen Orten und in Kreisen sucht, die er früher vehement bekämpft hat. Schwierige Situationen fordern flexibles Vorgehen, zumal er selbst nicht immer integer agiert.

Gerade weil sein Halbbruder involviert ist, weil auch bei ihm unterschwellige Zweifel aufkommen, nimmt der psychische Druck zu, was dazu führt, dass er zunehmend hektischer vorgeht.

Diese für den Leser gut nachvollziehbare Entwicklung hat Butcher sehr deutlich herausgearbeitet. Auf Grundlage dieser Situation berichtet er uns weiter von der Jugend Harrys, lässt alte Liebschaften auftreten, integriert aber auch die bekannten Verbündeten und Gegner des Magiers.

Es wird viel gekämpft in diesem Roman, es geht aber auch darum herauszufinden, was eigentlich vorgeht, wer wirklich hinter den Morden steckt und was diese bezwecken sollen.

Geschickt mischt Butcher hier Elemente des Detektiv-Romans mit seiner übernatürlichen Welt, zeichnet mit leichter Hand interessante Figuren und Charaktere, überrascht mit unerwarteten Wendungen und zeigt uns einen gereiften, aber beileibe nicht alten oder gar müden Harry Dresden.