Victor Dixen: Der Hof der Wunder (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Montag, 28. August 2023 11:34
Victor Dixen
Der Hof der Wunder
Vampyria 2
(Vampyria 2: La Cour des Miracles, 2021)
Übersetzung: Bernd Stratthaus
Blanvalet, 2023, Paperback, 528 Seiten, 18,00 EUR
Rezension von Carsten Kuhr
Louis XIV., gemeinhin als Sonnenkönig bekannt, hat 1715 etwas getan, was vor ihm kein Mensch je wagte: Mittels eines alchemistisch-magischen Rituals hat er sich unsterblich gemacht - und wurde zum ersten der Vampyre. Viele weitere Adelige aus etlichen Königshäuser in der ganzen Welt folgten ihm in die Transmutation. Seitdem lebt der Adel noch prächtiger, noch prunkvoller; der vierte Stand, die normalen Menschen, hat eine zusätzliche Steuer - einen Blutzehnt - abzugeben.
Eine Eiszeit im wortwörtlichen Sinn hat sich über Europa gesenkt.
Jeanne wächst weitab von Ludwig, dem Unwandelbaren, in der Provinz als Tochter des örtlichen Apothekers auf. Sie ahnte nicht, dass ihre Eltern und Brüder sich dem Widerstand angeschlossen haben. Als diese entdeckt und gemeuchelt werden, schlüpfte sie, um Rache zu nehmen, in die Rolle der von ihr getöteten Adeligen Diane de Gastefriche. Als königliches Mündel wird sie an der elitären Schule des Großen Marstalls aufgenommen, ja es gelingt ihr, durch die Rettung des Monarchen für dessen engsten Kreis ausgewählt zu werden.
Als Reiterin der Königs schickt dieser sie nun nach Paris aus; hier treibt eine Vampirin, die sich selbst zu Königin der Wunder ausgerufen, hat ihr Unwesen. Es ist an Diane, diese zu finden und auszuschalten - so zumindest der Auftrag des Monarchen. Dass die Wunderdame die Ghoule gezähmt hat und als ihre Armee auf die Straßen der Stadt entsendet, rüttelt am Selbstverständnis und der Macht des Unwandelbaren. Etwas, das nicht sein darf, nicht sein wird - so der Roi.
Verraten, geopfert und gefangengenommen findet sich unsere Heldin tief unter der Erde am Hof der Wunder wieder; einem Hof, der erstaunlicherweise in ein grelles Licht getaucht ist. Hier werden Jeanne alias Diane, ein verbündeter englischer Vampir-Spion und die Kreatur Orfeo jeweils an einem Pranger gefesselt - und das, während das durch des Königs Truppen aufgestaute Wasser die unterirdische Höhle zu überfluten droht…
Der Mittelteil der etwas anderen Vampir-Trilogie des französischen Autors Victor Dixen erweckt erneut die Aufmerksamkeit des potentiellen Käufers. Illustrierter Schnitt, geprägte Spotlackierung und Marketing-Aktionen sorgen dafür, dass einem der Roman sofort ins Auge fällt.
Üblicherweise sind Mittelbände einer Trilogie eher enttäuschend. Die Handlung darf nicht zu weit vorangetrieben werden, sonst bleibt für das Finale nicht mehr genügen Dramatik übrig, und wichtige Entwicklungen wurden bereits im ersten Teil eingeführt.
Anders beim vorliegenden Roman. Hier nimmt die Handlung noch einmal deutlich Fahrt auf, wird noch dramatischer und packender als im ersten Teil. Dies rührt zum einen daher, dass Dixen uns eine neue Bühne - Paris - vorstellt, dass aber auch neue Figuren inkludiert werden. Das einstige unbedarfte Mädchen vom Land entwickelt sich fort, muss immer mehr Fährnisse verkraften, Aufgaben schultern. Hier hat der Verfasser uns die weitere Entwicklung seiner Protagonistin wunderbar nachvollziehbar aufbereitet.
Dass rund um diese ein gewisses Vakuum an Figuren herrscht, dass kaum eine Gestalt wirklich hervorsticht oder sorgfältig gezeichnet ist, darf angemerkt werden. Dies fällt durch das rasante Tempo des Romans, die vielen Gefahren, die es zu überstehen gilt jedoch kaum auf.
Leider konnte es der Autor nicht vermeiden, uns wieder über einen seitenlangen Monolog der Wunderkönigin deren Sichtweise und Motivation näherzubringen. „Show, don’t tell“, heißt es so treffend - diesen Grundsatz hat Dixen leider nicht befolgt. Und auch der Zufall wird wieder häufig bemüht, um die Handlung dann voranzutreiben.
Dennoch, das Buch liest sich flüssig auf einen Rutsch durch und unterhält durch die ungewohnte Kombination aus Vampiren und dem Hof Louis XIV. sowie die tempo- und wendungsreiche Handlung durchaus packend und macht neugierig darauf, wie wohl im Abschlussband alles zusammengeführt wird.