Janika Nowak: Das Lied der Banshee (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 29. Januar 2011 10:07

Janika Nowak
Das Lied der Banshee
Titelillustration von Timothy Lantz
Innenillustrationen von Nina Nowacki
Pan, 2011, Hardcover, 480 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-426-28339-4
Von Irene Salzmann
Die 17-jährige Aileen hat ihre Mutter nie kennengelernt, da diese bei der Geburt des Mädchens starb. Zum Vater, einem Alkoholiker, hat sie kein gutes Verhältnis. Als Tischlerlehrling lebt sie in einem Wohnheim am Rande Berlins. Hin und wieder geht sie mit ihrem Kollegen Thomas aus, der für sie ein guter Kumpel ist.
Auf dem Heimweg nach einem Konzert fallen einige seltsame Typen über Aileen her. Als sie ihre Angst und ihre Schmerzen hinausschreit, geschieht es: Die Kerle sinken ohnmächtig oder sogar verletzt zu Boden, und sie kann entkommen. Aber das war erst der Anfang, denn jetzt machen geflügelte Wesen Jagd auf sie. Dank dem Eingreifen von Macius, Pheme und Aiko gelingt es Aileen zusammen mit Thomas, der zur falschen Zeit am falschen Ort war, das Grauen zu überleben. Die Gruppe flieht nach Warschau. Aileen und Thomas haben keine andere Wahl, als die phantastischen Dinge zu glauben, die ihnen erzählt werden, und zu lernen, wie man sich verteidigt, wollen sie am Leben bleiben. Dass sie nicht belogen werden, ist ihnen klar, schließlich haben sie selber die Harpyien gesehen und erlebt, wozu die neuen Freunde – ein Wassermann, eine Sirene und eine Oni – fähig sind. Trotzdem fällt es Aileen schwer zu akzeptieren, was sie selber ist: die vermutlich letzte lebende Banshee und eines der mächtigsten Götterkinder, sofern es ihr gelingt, ihre Kräfte zu beherrschen.
Eigentlich leben die Götterkinder im Verborgenen und halten sich an uralte Regeln, die verbieten, dass sie einander oder den Menschen Schaden zufügen. Offensichtlich haben die Nachkommen der Nyx die Verträge gebrochen, denn in jüngster Zeit mehren sich die gewaltsamen Todesfälle unter den anderen Arten, und Aileens Erlebnisse sprechen ebenfalls dafür. Nun ist guter Rat teuer, denn die Aitherischen, die Gaianischen und die Pontonier sind nicht organisiert – was haben sie überhaupt einem Zyklopenwächter, der sich mit den Nyxianern verbündet hat, entgegenzusetzen? Und wo sind die Götter, wenn ihre Schöpfung in höchster Gefahr ist?
„Das Lied der Banshee“ beginnt als typischer Urban-Fantasy-Roman. Janika Nowak erlaubt ihrer Protagonistin, sich kurz und im lockeren Tonfall vorzustellen – dann geht es auch schon los: Aileen wird überfallen, entdeckt ihre mysteriösen Fähigkeiten und wird von einigen Fremden darüber aufgeklärt, eine Banshee zu sein. Alles zusammen ergibt Sinn, und da Aileen und jeder, sich in ihrer Nähe aufhält, in Todesgefahr schwebt, lässt sie alles hinter sich und schließt sich zusammen mit Thomas, einem normalen Menschen, den neuen Freunden an. Macius ist ein Wassermann, Pheme eine Sirene und Aiko eine Oni. Gemeinsam schlagen sie sich nach Warschau durch zu Macius‘ Versteck. Dort werden Aileen und Thomas unterrichtet und trainiert, bevor sie die Reise fortsetzen, um die anderen Götterkinder zu warnen und Verbündete zu gewinnen. Bei diesen handelt es sich nicht etwa um die derzeit populären Vampire, Werwölfe, Engel und so weiter, sondern um Wesen der griechischen Mythologie: Lamien, Satyrn, Harpyien, Sirenen etc. Diese verleihen dem Roman eine gewisse Originalität, wenngleich Janika Nowak das Rad nicht neu erfindet.
Ihre Hauptfigur ist ein junges Mädchen, das erfährt, dass es in Wirklichkeit eines der mächtigsten Wesen auf der Welt ist, die letzte Todesfee (Banshee), und dass sie es in der Hand hat, die Feinde in die Schranken zu weisen und die anderen Götterkinder und Menschen zu retten. Obwohl sich Aileen wie ein Teenager verhält, denkt und redet und nicht zur Überheldin mutiert – Deus ex Machina, im wahrsten Sinne des Wortes, sei Dank! –, verkommen ihre Mentoren ziemlich schnell zu austauschbaren Begleitern mit im Bedarfsfall nützlichen Kenntnissen. Die Romanze mit Thomas (oder doch mit Macius?), der sich bemüht, aber recht farblos bleibt, wird lediglich angedeutet, und der Funke will auch nicht zum Leser überspringen, weil keiner der Männer den feurigen Verehrer verkörpert oder gar einen entscheidenden Schritt tut. Aileen hat zwar Träume, wahrt jedoch zu beiden jungfräuliche Distanz. So halten sich die Lektionen in Mythologie/Fantasy, der Kampf gegen die ‚Bösen‘, der zum Ende hin eskaliert, und das romantische Moment die Waage.
Erwähnenswert sind die Innenillustrationen von Nina Nowacki, die im Knaur Verlag den Manga „Guns and Swords“ (nicht zu verwechseln mit dem Anime „Gun x Sword“) veröffentlichte und bei Fireangels in verschiedenen Produktionen („In maiorem dei gloriam“, „Lemon Law 1“, „Bi-Color“ etc.) mit ihren Beiträgen vertreten ist. Durch ihre kleinen und größeren Schwarz-Weiß-Zeichnungen hebt sich „Das Lied der Banshee“, das aufwändig als Hardcover mit Schutzumschlag produziert wurde, optisch von den schlichter gestalteten Fantasy-Romanen ab.
Man merkt, dass „Das Lieder der Banshee“ der Debüt-Roman einer jungen Autorin ist, die sich bemüht, eigene Ideen zu realisieren, dabei aber doch ausgetretenen Pfaden folgt. Damit kann Janika Nowak das lese-erfahrene Publikum kaum überraschen, aber jüngere Fantasy-Fans, die sich mit Aileen identifizieren wollen, werden sich gern von der Story bezaubern lassen und gespannt auf die Fortsetzung warten.