Thomas Plischke: Die Zombies (Buch)

Thomas Plischke
Die Zombies
Titelillustration von Sylwia Makris
Piper, 2010, Paperback, 474 Seiten, 12,95 EUR, ISBN 978-3-492-26746-5

Von Christel Scheja

Viele Leser kennen Zombies aus zahllosen Horrorfilmen als hirnlose Gestalten, die nur nach frischem Fleisch und Blut der Lebenden gieren und nicht mehr wirklich Persönlichkeit oder gar Verstand haben. Klassisch Gebildete erinnern sich an die Menschen, die durch Voodoo-Zauber zu willenlosen Sklaven gemacht wurden, die weder tot noch lebendig sind.

Die Völkerkundlerin Lily Young beschäftigt sich in ihrer Doktorarbeit mit Zombies und wird deswegen von den meisten Bekannten in Oxford für morbide und verrückt gehalten. Nur einer steht zu ihr: der junge Deutsche Gottlieb Berger. Auf der Beerdigung ihres Großvaters lernt die junge Frau den charmanten Victor kennt, der eine seltsame Anziehungskraft auf sie ausübt. Doch sie weicht ihm aus, da er ihr irgendwie unheimlich ist. Als Gottfried überraschend nach Hause zurückkehren muss, versucht Lily, sich auf einer Party abzulenken. Dort wird sie von einem als Zombie verkleideten Schauspieler heftig gebissen. Während der junge Deutsche auf der Testamentseröffnung seines Vaters erfährt, dass er zu einer Familie gehört, die sich seit Jahrhunderten der Jagd nach Untoten verschrieben hat, bemerkt Lily, wie sie sich langsam verändert. Bisher war sie Vegetariern, nun verlangt es sie nach rohem und blutigem Fleisch. Sie versteht die Welt nicht mehr, bis sie sich eines Tages über eine Taube hermacht, die sich in ihre Wohnung verirrt hat.

Thomas Plischke gibt offen zu, dass er alle möglichen Zombie-Mythen eingearbeitet hat, um sich von den gängigen Untoten-Klischees abzuheben. Das ist ihm gelungen, denn er verzichtet darauf, einen Amoklauf seiner Heldin zu starten, und präsentiert eine bewusst miterlebte Verwandlung einer Frau, die durch ihre Studien genau weiß, was während der schleichenden Degeneration ihres Körpers passiert. Das wird sehr einfühlsam und realistisch geschildert. Man nimmt Lily die hilflose Angst, die später folgende Resignation und den immer vorhandenen Ekel wirklich ab und versteht auch, warum sie ihre neue Natur nicht verleugnen kann. Zugleich erkennt sie, dass Victor seine Hände mit im Spiel hat, wehrt sich aber deutlich gegen eine Romanze mit ihm. Im Gegensatz zu dieser Handlungsebene bleibt die um Gottlieb blass, da er sich nicht wirklich von vielen anderen Jägern des Übersinnlichen abhebt, auch wenn er zähneknirschend sein Erbe antritt. Man ahnt aber, dass er eigentlich nur dazu dient, am Ende noch einmal ein wenig Dramatik und Action aufkommen zu lassen. Der Showdown in einem kleinen schottischen Dorf ist eigentlich der schwächste Teil des Romans, der zwar die actionverwöhnten Leser zufriedenstellen dürfte, aber überhastet wirkt. Wesentlich interessanter sind da die vorhergehenden Entwicklungen in und um Lily.

„Die Zombies“ fällt aus dem Rahmen dessen, was sonst zu dem Thema publiziert wird, da der Roman einen ungewohnten Blick auf die Untoten bietet. Und wenn man nicht gerade ständiges Gemetzel oder widerwärtige Ekelszenen erwartet, kann man den Titel als Genre-Fan sehr genießen.