Ivan Ertlov: Jenseits der Hoffnung (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 05. August 2023 14:14
Ivan Ertlov
Jenseits der Hoffnung
Titelbild: Detlef Klewer
p.machinery, 2023, Paperback, 194 Seiten, 15,90 EUR
Rezension von Carsten Kuhr
Seitdem ein deutscher Erfinder die Dampfmaschinen perfektioniert hat, fahren sie majestätisch über den Himmel. Die Rede ist natürlich von den riesigen Luftschiffen, im gemeinen Sprachgebrauch als Zeppeline bezeichnet. Doch wie das immer ist, alles Schöne kann man auch für andere, martialische Zwecke missbrauchen. Die Reiche des Kontinents bauen ihre Luftflotten auf, die Säbel rasseln Mitte des 19. Jahrhundert, Krieg liegt in der Luft.
Dabei stehen sich zwei Parteien gegenüber. Auf der einen Seite die von Preußen angeführte Koalition mit dem KuK Reich nebst Italien, ihnen gegenüber die Briten und ihre französischen Verbündeten.
Die Deutschen planen nicht weniger, als die Luftinvasion des Königreiches. Die „fliegenden Zigarren“, wie der Volksmund die Luftschiffe treffend nennt, machen sich auf über den Ärmelkanal - und es sieht nicht gut aus für das Commonwealth.
Die angreifenden Schiffe hindern die High Society Londons aber nicht daran, ihre Feste zu feiern und Bälle zu zelebrieren. Mittendrin eine junge Frau, uneheliches Kind eines Lords aus dessen skandalöser Verbindung mit einer indischen Prinzessin. Shiara verliert beim ersten Angriff des Deutschen Bundes nicht nur ihren das Flaggschiff des Empires kommandieren Vater, sie hat auch die Nase gestrichen voll von Tüll, Tanzkarten und aufdringlichen Galanen. Sie will als erste Frau zur Navy - allen Widerständen zum Trotz gelingt ihr dies, mehr noch, sie schießt, halb havariert, ein gegnerisches Luftschiff vom Himmel, bevor auch sie auf einer unbekannten Insel im Kanal abstürzt. Was ist dies für eine Insel auf der sie mit einem Untergebenen und zwei Feinden gestrandet ist? In einer Höhle warten nicht nur unbegreifliche Winkel und Bauten sowie eine wiederbelebte Leiche auf sie, auch ein Tor droht sich zu öffnen - ein Tor, hinter dem etwas lauert.
Ivan Ertlov ist wahrlich kein unbeschriebenes Blatt in der deutschsprachigen Phantastik mehr. Seine immer ein wenig mit Humor aufgepeppten Science-Fiction-Romane erfreuen sich regen Zuspruchs. Nun legt er bei p.machinery einen neuen, wohltuend kurzen Roman vor, in dem er Elemente des Steampunks mit einer romantischen Darstellung des adeligen Empires zur Zeit Queen Victorias mischt, dann noch eine Prise Lovecraft beigibt - fertig ist das Buch.
Der Beginn ist durchaus gelungen. Schnell macht er uns mit der Protagonistin bekannt, können wir deren Erfahrungen als Farbige in den erzkonservativen Adelskreisen gut nachvollziehen. Gerade der unterschwellige Rassismus, der ihr immer wieder begegnet, ist gut nachvollziehbar aber unauffällig im Text präsent. Damit nicht genug, stößt sie als Frau in einer Gesellschaft, in der das weibliche Geschlecht gemeinhin ausschließlich mit den drei K - Küche, Kirche und Kinder - assoziiert wird, immer wieder an Grenzen. Dennoch setzt sie sich mutig durch, sucht und findet ihren Weg.
Mit der Beschreibung der Luftschlacht zieht dann die Dramatik ins den Plot ein.
Nach der Havarie aber wird es für meinen Geschmack ein klein wenig zu viel. Hätte es den Abstecher ins Reich der Großen Alten wirklich gebraucht, zumal die entsprechenden Beschreibungen recht kurz und schnell abgehandelt werden? Hier kippte der Plot, zumal Ertlov dann auch noch eine kurze Romanze einfügt. Das ist, gerade auch weil die entsprechenden Passagen kurz, zu kurz ausfallen, nicht wirklich in sich stimmig, eigentlich auch unnötig. Hier mag ich sagen: weniger wäre mehr gewesen. Dass der Verfasser erzählen kann, dass er Charaktere und eine Bühne zu zeichnen vermag, das hat er in den ersten Zweidritteln des Buches gezeigt.
Insgesamt bleibt also ein ambivalenter Eindruck. Einem durchaus guten Beginn folgt ein nicht ganz überzeugendes Finale.