Vanessa Len: Only a Monster - Die Dynastie der Zeitreisenden 1 (Buch)

Vanessa Len
Only a Monster

Die Dynastie der Zeitreisenden 2
(Only a Monster, 2022)
Übersetzung: Bettina Ain
Piper, 2023, 414 Seiten, 17,00 EUR

Rezension von Gunther Barnewald

Die junge Joan Hunt lebt mit ihrer etwas exzentrischen Familie in London. Was die Pubertierende nicht ahnt: Ihre Familie gebietet über ungewöhnliche Kräfte, denn sie können von anderen Menschen Lebenszeit stehlen und damit in der Zeit reisen. Nur nicht in die Zeit, in der sie schon existieren.

Zum Glück ist die Zeitlinie gegen Veränderungen relativ resistent und neigt immer wieder dazu, in ihren natürlichen Verlauf zurückzukehren (Jodi Taylor und ihre Protagonistin Madelaine „“Max“ Maxwell lassen grüßen!).

Eines Tages muss Joan erkennen, dass sie ebenfalls zu jenen „Zeiträubern“ gehört, also vermeintlich gar keine „Gute“ beziehungsweise „Heldin“ ist, sondern somit zu den „Bösen“ also den „Monstern“ gehört. Aber es kommt noch schlimmer für die junge Frau: Der junge Mann, in den sie sich verleibt hat, ist ein durchtrainierter, sehr fähiger Monsterjäger, der mit ihrer Familie und einer anderen „Monstersippe“ kurzen Prozess macht. Da er in Joan verliebt ist, verschont er diese und lässt sie entkommen.

Kann Joan doch noch mit Hilfe ihrer mehr oder weniger willigen Helfer die Zeitlinie manipulieren und so ihre Familie retten? Oder ist dies unmöglich und sie verliert ihr Leben ebenfalls an den Jäger? Erst eine erschütternde Entdeckung gibt Joan und ihren Verbündeten wider Willen doch noch etwas Hoffnung...


Vanessa Lens Erstling, Auftakt zu mindestens einem weiteren Abenteuer, ist fulminant geschrieben, hervorragend erdacht und vor allem wunderbar erzählt. Die Autorin scheint ein großes Erzähltalent zu besitzen (und damit muss man auch die Arbeit der Übersetzerin Bettina Ain in den höchsten Tönen loben!).

Der Spannungsbogen der Geschichte ist superb konstruiert, die Autorin schreibt eindrücklich und visuell überzeugend (der Leser sieht das Geschilderte zu jeder Zeit lebendig vor seinem geistigen Auge) und die Charaktere überzeugen ebenfalls, gerade weil sie Ecken und Kanten haben, manchmal sogar eher unsympathisch wirken.

Und auch wenn die Hintergrund-Konstruktion der Zeitreise-Gesetzmäßigkeiten manchem engstirnigen Leser aufstoßen sollte, die Autorin hat für sich den harten Weg gewählt, denn die Zeitlinie ist schwer zu beeinflussen, widersetzt sich diesen Versuchen oder normalisiert sich später sogar wieder von selbst, zumal der Reisende nie sich selbst begegnen kann, also keine Zeit besuchen kann, in der er/sie/es schon einmal weilte (auch hier scheint Jodi Taylor Pate gestanden zu haben mit ihrer Zeitreise-Serie). Das ist dann tatsächlich die hohe Kunst der Selbstkasteiung für die Autorin.

Hoffentlich hält sich Len selbst an ihre strengen Regeln und weicht diese nicht auf, wenn sie sich dereinst einmal in inhaltlich-literarische Sackgassen manövriert!

Stilistisch ist die Autorin auf jeden Fall vielen ihrer Kollegen voraus, was umso erstaunlicher ist, handelt es sich hier ja wohl um einen Erstling.

Sehr wohltuend ist auch, dass die Autorin eigentlich eine Liebesgeschichte erzählt, die aber hinter der Handlung, der Spannung, den glaubwürdigen Figuren und der guten Konstruktion fast völlig verschwindet. Dabei ist diese Liebesgeschichte zum Glück nie sülzig, schwülstig oder sonstwie trivial und klischeehaft (wie dies zum Beispiel in der unsäglichen Erzählung „Die Frau des Zeitreisenden“ von Audrey Niffenegger der Fall ist).

„Only a Monster“ ist kein tadelloses Meisterwerk, aber ein verdammt gutes und sehr unterhaltsames Buch, welches wahrlich großen Appetit auf Mehr macht!