Michael Schmidt: Galactic Pot Healer (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 18. Juni 2023 13:39

Michael Schmidt
Galactic Pot Healer
Titelillustration von Oliver Pflug
2023, Paperback, 176 Seiten, 9,00 EUR
Rezension von Carsten Kuhr
Über dem roten Planeten JOE zieht sie einsam, aber beileibe nicht verlassen ihre Kreise. Die Rede ist natürlich von der in der ganzen Galaxis bekannten, legendären Raumstation Galactic Pot Healer. Über die Jahrhunderte haben unzählige Raumschiffe angedockt, ein veritabler Teil davon hat die Station nie wieder verlassen, sondern zu ihrer Ausweitung und dem Ausbau beigetragen.
Hier regiert, begrenzt auf ein Jahr, ein absoluter Herrscher. Dass diese oder dieser nicht etwa durch Wahlen oder Gewalt, sondern durch ein Pokerspiel bestimmt wird, ein Game, bei dem alles erlaubt ist, was die Gegner durchgehen lassen, macht das Duell - meist bleiben nur zwei Kontrahenten letztlich übrig - für die Zuschauer zu einem absoluten Highlight.
Den Reigen der zehn der im Buch gesammelten Geschichten eröffnet die Beschreibung, wie der aktuelle „Chef im Ring“, der goldene Reiter, sich beim letzten Duell durchsetzte und die Machtpyramide erklomm. Seitdem wacht er, scheinbar den Besucher aus jeder denkbaren und ein paar unmöglichen Richtungen direkt beobachtend, über die Station.
Dass an Bord auch Reichtümer, Schätze unermesslichen Werts aufbewahrt werden, lockt immer von Neuem Diebe an. Nur die Versiertesten unter diesen wagen einen Beutezug - auch wenn der Preis, der Heilige Gral, unermessliche Reichtümer verspricht, das Risiko vom goldenen Reiter erwischt zu werden, ist eklatant. Geschickt, wenn es sich bei der Diebin um eine Gestaltwandlerin handelt, die immer wieder in neue Körper schlüpfen kann - doch wird dies reichen?
Neben Artefakten soll die Station auch Gebeine legendärer Helden beheimaten. PKDs Leib soll hier, wohl versteckt und konserviert, verborgen aufgebahrt liegen - was Schatzsucher der besonderen Art zur Station führt.
Sie erinnern sich an die Gestaltwandlerin auf der Suche nach dem Gral? Nun, die Guteste hat ihre Verehrer - Charmeure, die gerne einmal auf einem Bein stehend, die Querflöte spielen und von unserer Diebin besessen sind.
Mr. Curry wandelt auf den Spuren von Frankensteins Schöpfer. Er will der Station ein neues Geschöpf schenken - und schafft J.R., ein einsames Wesen, auf der Suche nach Gesellschaft der amourösen Art.
Auf der Station tummelt sich so Manches gar merkwürdiges Leben - Gestalten mit Symbionten, Figuren, die ihren Partner loshaben möchten und Wesen, die dies nur zu gerne möglich machen - schließlich haben sie schon Pläne, wem der Symbiont danach verpasst werden soll.
Ein Virus sucht die Station heim - eine gar heimtückische Erkrankung, im Labor gezüchtet, die enthemmend wirkt, den Sexualdrang ins Unermessliche steigert - mit drastischen Folgen für manche Opfer.
Auch Asylanten suchen das GPH auf, um Schutz zu finden. Um bessere Chancen zu haben auch bleiben zu dürfen, erzählen sie so manches Mal von Geheimnissen, von Schätzen und Verrätern. Doch trotz Einsatz einer Gestaltwandlerin von Medusa, ist auch unser goldene Reiter nicht immer erfolgreich - zumal, wenn die Femme fatal eigene Pläne hegt.
Trumple Lie will die Macht an sich reißen, komme was wolle; die Methoden können noch so dreckig sein, die Lügen noch so gewagt - nur das Ergebnis zählt. Doch hat der Herausforderer wirklich Chancen gegen den goldenen Reiter?
Zu guter Letzt erwartet uns ein Showdown in der Bar, auf den jeder Gunslinger stolz wäre - schließlich weiß man, dass Reiter - auch goldene - schnell mit der Waffe zur Hand sind, insbesondere, wenn ihre Machtbasis bedroht wird.
Michael Schmidt ist uns als umtriebiger Mit-Herausgeber des „Zwielicht“-Magazins, aber auch als Autor gar merkwürdiger, teilweise schockierender, dann gruselnder Geschichten ein Begriff. Vorliegend entführt er uns in eine ferne Zukunft auf eine Raumstation und berichtet uns von deren Herrscher. Science-Fiction-Kurzgeschichten, so lautet - treffend - der Untertitel des Bandes. Sechs der enthaltenen Geschichte wurden bereits in Anthologien veröffentlicht, vier Storys sind Erstveröffentlichungen. Schmidt hat laut eigenem Bekunden alle noch einmal durchgesehen und überarbeitet - eben für uns Leser diesen den letzten Schliff gegeben.
Das Besondere an den Erzählungen sind ihre Verweise auf aktuelle oder nicht ganz aktuelle Figuren, Künstler und Lieder, die uns hier abgewandelt begegnen. Sei es, dass uns Reminiszenzen an populäre Rockstars und deren Lieder, an Philip K. Dick und seine Schöpfungen oder auch an einen reichen Aufschneider und Demagogen, der auszog Präsident zu werden, erwarten - hinter jeder Ecke versteckt sich eine neue Reminiszenz, eine weitere Entdeckung. Das macht die Lektüre zu einem wahren Rätselraten, was, wen wir jetzt zu entdecken glauben, wo wir weitere Hinweise und Gimmicks bemerken.
Daneben erwartet uns etwas, das selten ist in der SF. Die Technik ist Nebensache, es geht dem Verfasser um die skurrilen Situationen, die markanten Figuren und die unerwarteten Wendungen, die er sich für uns hat einfallen lassen. Es sind kleine, leicht und vergnüglich lesbare Geschichten, Storys, die immer eine unerwartete Wendung parat haben, die überraschen, verblüffen und amüsieren.