Travis Baldree: Magie & Milchschaum (Buch)

Travis Baldree
Magie & Milchschaum
(Legends and Lattes, 2022)
Übersetzung: Wolfgang Thon
dtv, 2023, Paperback, 318 Seiten, 16,95 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Als weibliche Ork hat man nun wirklich nicht viele Karriere-Chancen - noch dazu in einer archaischen Welt, in der das gespitzte Stück Stahl in der Hand oder aber die magische Rune über Wohl und Wehe bestimmt. Dies weiß auch Viv, die sich ihren Lebensunterhalt bislang auf die martialische, sprich die blutige Art und Weise verdiente. Ja, der Verdienst ist gut, doch irgendwann einmal hat man einfach Pech oder tappt in eine Falle - und das war’s dann.

Doch Viv hat einen Plan: Bei ihrem letzten Einsatz will sie von den Schätzen des mystischen Wesens, das sie dahingeschlachtet haben, nichts abhaben - alles bleibt ihren Kameraden; sie will nur den Skalvert-Stein, den sie im Kopf des Ungeheuers findet. Den unbestätigten Überlieferungen nach, sorgt dieser für seinen Besitzer - indem dieser Glück hat.

Viv schnappt sich den unscheinbaren Stein, setzte sich nach Thune ab und sucht und findet einen abgehalfterten Pferdestall - na gut, eher eine Ruine eines solchen. Gekauft. Dann macht sie sich an ihren Lebenstraum - der Umbau zu einem Kaffeehaus bringt sie mit dem Kobold Cal, einem begnadeten Schreiner, und einer Sukkuba zusammen - und dann lernt sie auch noch einen Rattenmann kennen, der, was das Erfinden und Backen gar köstlicher, süßer Leckereien anbelangt, ein echtes Genie ist.

Der Laden floriert - doch dann meldet sich das organisierte Verbrechen, will einen Batzen ab vom wirtschaftlichen Erfolg. Später kommt ein Elf, ein alter Gegner unserer Viv, in die Stadt und schon steht das Heim für gehobenen Kaffeegenuss in Flammen - gut, dass Viv inzwischen jede Menge Freunde gefunden hat, auf die sie sich verlassen kann…


Was ist das doch für ein wunderbar unaufgeregter, locker verfasster und zudem vorzüglich ins Deutsche übertragener Einzelroman? Travis Baldree macht vieles, fast alles richtig. Ja, er greift auf jede Menge Stereotype zurück, wandelt diese dann aber geschickt ab, spielt mit der Erwartungshaltung des Rezipienten und unterhält bestens.

So ganz nebenbei und herrlich unauffällig hat er dann noch Problemfelder inkludiert: Fremdenfeindlichkeit, Ressentiments gegenüber Minderheiten. gleichgeschlechtliche Beziehungen - alles drin. Dazu erstaunlich wenig Gewalt - es stirbt bis im Finale niemand (!), das Tempo, die Spannung und Faszination findet der Verfasser und der Leser bei den alltäglichen Kämpfen um den Aufbau des Unternehmens.

Haben Sie schon einmal überlegt, was es für eine Mammutaufgabe ist, in einer Stadt, in der man niemand kennt, keine Connections hat, so kurz einmal ein florierendes Unternehmen aus dem Boden zu stampfen? Noch dazu, wenn das Produkt, das man anbieten will dort noch gar nicht bekannt ist? Product Placement, Werbung ist angesagt - und dies in einer Gesellschaft, die auf Veränderungen und Neuerungen eher abwartend, wenn nicht ablehnend reagiert. Ja, der Zufall kommt unserer Ork zu Hilfe, doch das Faszinierende ist, wie sie anpackt, wie sie die Außenseiter, die sie rekrutiert - mit ihrem eigenen Päckchen, das sie zu tragen haben - als geschätzte Wesen akzeptiert und denen sie letztlich eine Heimat gibt, das nimmt uns gefangen.

Dabei gibt es immer wieder lustige Momente aber auch Situationen, die uns anrühren, ja melancholisch machen.

So ist dies eine wahre Entdeckung; ein munterer, flüssig und locker zu lesender Roman voller interessanter Figuren mit auf den ersten Blick bekannter Szenarien, die dann aber geschickt gewandelt werden - und dies alles von Wolfgang Thon wunderbar stimmig ins Deutsche übersetzt. Eine klare Empfehlung meinerseits.