Thilo Corzilius: Die Lüge von Feuer und Ewigkeit (Buch)

Thilo Corzilius
Die Lüge von Feuer und Ewigkeit
Hobbit Presse, 2023, Hardcover, 630 Seiten, 26,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Sie alle leben auf dem Kontinent Amarelle und haben eigentlich nichts miteinander zu tun. Die Rede ist von vier, na gut fünf Wesen, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

Da ist Talia, eine Tempelwache des Ordens der Sturmpriester von Kell. Der Orden ist bekannt dafür, allen Bewohnern des Kontinents gleichermaßen das Wetter akkurat vorherzusagen - wozu aber braucht er bestens ausgebildete Assassinen-Kämpferinnen wie Talia?
Raurianne ist nicht nur Erbin eines höchst angesehenen Adelshauses, sondern auch die talentierteste Novizin der Liga der Ritterinnen. Als sie in der letzten Prüfung ihre Magie zur Rettung ihrer Kameradinnen einsetzt, verpasst sie damit die Ritterwürde und die Achtung ihrer Mutter, die sie verstößt.
Mandris ist einer, nein der versierteste Magier des Kontinents - auch wenn er, worauf ihn immer alle ansprechen müssen, für seinen Ruf eigentlich viel zu jung aussieht.
Dazu gesellt sich der Ratskanzler und Spion Infendio, ein Bär von einem Mann, allerdings dank eines Einsatzes, bei dem er vergiftet wurde, mit einer verzehrenden Krankheit belastet.
Und dann gibt es noch Glest, ein kleiner, höchst vorlauter sprechender Drache, hinter dem mehr steckt, als man zunächst vermutet.

Sie alle verbindet die Queste, dass sie das bestens und streng gehütete Geheimnis der Sturmpriester, um das zu schützen diese nicht vor Mord zurückschrecken, erkunden und öffentlich machen wollen. So zieht diese so ungleiche Gruppe, begleitet von der Herzogin Jenna, die das Unternehmen finanziert und Rache für die Ermordung ihres Gatten will, in Richtung des unwirtliche Vulkanlandes Kell.

Während der gefahrvollen Reise durch die Länder des Kontinents kommen sie Geheimnissen auf die Spur, die oftmals besser verborgen geblieben wären. Auch die zwei den Menschen vorausgehenden Hochzivilisationen spielen eine immer dominierender Rolle bei dem Versuch, das Geheimnis zu entdecken - doch damit ist der Roman noch lange nicht zu Ende… das Beste kommt in der zweiten Hälfte.


Nach der Hälfte des Buchs hätten Verlag und Verfasser das Manuskript eigentlich befriedigt beenden und das dann etwas dünnere Bändchen in die Druckerei geben können.

Sie bemerken den Konjunktiv? Denn welch ein Glück, dass Thilo Corzilius eben dies nicht getan hat. Ja, das eigentliche Abenteuer ist nach der Hälfte des Bandes erzählt, das Geheimnis gelüftet, die so ungleichen Gefährten haben - wie erwartet - unter großen Opfern obsiegt. Doch hier fängt es dann erst an, so richtig interessant zu werden. Corzilius hält nämlich noch so Einiges an Überraschungen, Mysterien und dramatischen Wendungen für seine Leserinnen und Leser bereit!

Es beginnt damit, dass, sobald das Geheimnis einmal aufgedeckt ist, sofort die Überlegungen der verschiedenen Völker, wie man dieses am besten zu den eigenen Gunsten nutzen, sich Vorteile verschaffen kann, beginnt. Warum das Geheimnis über 1000 Jahre gut geschützt wurde und ob dies vielleicht seinen Sinn hatte, darüber denkt niemand nach.

Mehr noch, von unseren Helden wird jeweils erwartet, dass sie aktiv für die Inbesitznahme des Geheimnisses und damit gegen ihre Kameraden eintreten. Das sich abzeichnende politische Ränkespiel, die persönliche Geltungssucht und der Egoismus sind nur zu vorstellbar. Als dann die Aufdeckung des Geheimnisses und der Kampf um die Herrschaft über dieses zur Katastrophe führt, sind natürlich immer alle Anderen schuld.

Hier atmet der Plot Realität. Dazu kommen, wie bei Corzilius nicht anders zu erwarten, interessante, weil vielschichtige Charaktere, eine Welt, die nach und nach immer dezidierter beschrieben wird und dabei ihre Unterschiede und Geheimnisse offenbart und eine Handlung, die uns an die Seiten bannt. Das ist moderne Abenteuer-Fantasy mit einem deutlichen Anteil an Gesellschaftskritik - dies aber so unterschwellig und geschickt verpackt, dass wir der rasant aufgezogenen Handlung voller Faszination folgen. Klasse gemacht!