V. E. Schwab: Gallant - Im Garten der Schatten (Buch)

V. E. Schwab
Gallant - Im Garten der Schatten
(Gallant, 2022)
Übersetzung: Sara Riffel & Petra Huber
Tor, 2023, Hardcover, 350 Seiten, 22,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Sie wuchs in einem der vielen Waisenheime Englands heran. Die Rede ist von Olivia Prior, einem jungen Mädchen, das stumm geboren, und von ihrer Mutter ausgesetzt wurde. An diese erinnert sie nur ein altes Tagebuch, das sie hütet wie einen Schatz.

Dass die anderen Kinder im Waisenhaus sie hänseln und triezen, dass die Erzieherinnen sie gängeln, daran hat sie sich gewöhnt. Selbst wenn sie es verzweifelt versucht, sie kann keinen Laut von sich geben. Dass sie eine Gabe besitzt, Geister zu sehen, ahnt hier niemand.

Für erlittenes Unrecht, nimmt sie Rache - immer und so, dass die Täterinnen künftig vorsichtiger zu Werke gehen, oder ihr ganz ausweichen.

Eines Tages erreicht ein Brief das Heim - ihr vermeintlicher Onkel hat sich gemeldet, will sie zu sich holen.

Hat sie tatsächlich den Sechser im Lotto gewonnen, ist die Zeit der Qualen vorbei? So richtig glauben kann Olivia nicht daran - und tut gut darin, vorsichtig zu sein.

In Gallant, dem hoch- herrschaftlichen Anwesen der Priors angekommen, warten zwei nette Bedienstete, die ihre Mutter noch kannten, auf sie und der letzte Sprössling der Priors - ihr Vetter, der sie weder willkommen heißt, noch im Anwesen dulden will.

Dass sie überall auf Hinweise auf ihre Mutter stößt, dass im großen Garten eine hermetisch abgeschlossene Tür zu einem anderen Ort existiert, weckt ihre Neugier. Wo geht es hier hin, warum darf man, darf sie die Tür nicht öffnen, warum nur haben alle fast panische Angst vor dem, was sich dahinter verbirgt? Fragen, denen sie, zum Leidwesen aller, auf den Grund gehen will...


V. E. Schwab hat das alte Motiv des Spukhauses aufgegriffen, mit jeder Menge Atmosphäre sowie einer wunderbar griffigen Erzählerin versehen und unterhält uns in diesem unheimlichen Roman bestens. Eigentlich ein ideales Buch für den Herbst, hat der Verlag das Werk rechtzeitig zur Leipziger Buchmesse aufgelegt. Und man ist von dem Titel überzeugt - Hardcover, Innenillustrationen, zum Teil sind die Seiten verziert, erinnern an ein Tagebuch, der Umschlag in Spotlackierung mit Prägedruck - Tor versucht alles, das Buch aus dem Allerlei der monatlichen Novitäten hervorzuheben.

Und wirklich, der Text bietet sich sehr interessant und einfühlsam an. Die Beschreibung der stummen Olivia nehmen uns für diese ein, durch ihre neugierigen, so manches Mal misstrauische Augen lernen wir das Anwesen und ihren Vetter kennen. Nach und nach erforschen wir mit ihr die Geheimnisse der Familie, stoßen dabei immer wieder auf Geister - und jede Menge Geheimnisse.

Letztlich, das ist klar, wird Olivia die Pforte öffnen und dies mit gravierenden Folgen für die Lebenden, wie die Toten.

„Gallant - Im Garten der Schatten“ ist ein wunderbar leises Buch voller nachdenklicher Momente, in denen es auch viel um Verlust, um Trauer und um Hoffnung geht; kein Roman, um ihn schnell in einem Wartezimmer oder einer Bahnfahrt zu lesen, sondern ein Werk, für das man sich Zeit nehmen sollte, ja muss.