Susanne Gerdom: Elbenzorn (Buch)

Susanne Gerdom
Elbenzorn
Elben 1
Titelgestaltung von Guter Punkt unter Verwendung einer Abbildung von RainfeatherPearl
Karte von Erhard Ringer
Autorenfoto von Bastian Busch
Piper, 2010, Taschenbuch, 480 Seiten, 9,95 EUR, ISBN 978-3-492-26713-7

Von Irene Salzmann

Einst waren die Elben ein friedliches Volk, das in Harmonie mit der Natur lebte. Doch als Zwerge, Menschen und andere auftauchten, keimten Missverständnisse, Neid und Hass, die in blutigen Kriegen gipfelten und auch die Elben entzweiten. Die Goldenen vertrieben die Dunklen, die seither auf Rache sinnen und planen, sich zurückzuholen, was ihnen genommen wurde.

Allerdings will niemand über die Existenz der Dunklen sprechen. Sie dienen allenfalls dazu, kleine Kinder zu erschrecken. Darum lasten die Elben die Morde, die sich plötzlich im Sommerpalast ereignen, lieber ihren Erzfeinden, den Zwergen, an, statt die Täter unter Ihresgleichen zu suchen. Allein Iviidis, die Tochter des einflussreichen Glautas, ahnt, dass der Feind näher ist, als jeder glaubt, denn auch viele Goldene sind unzufrieden. So mancher Adlige würde gern den seit Generationen verwaisten Thron besteigen und das Volk der Elben zu neuem Ruhm und Glanz führen. Iviidis Nachforschungen bringen sie schon bald in höchste Gefahr: Sie wird von Unbekannten entführt und verliert ihre Erinnerung, stirbt beinahe, denn sie trägt als Bewahrerin die Erinnerungen von Alvydas, einem der Ältesten, in sich, die sie nicht mehr hatte archivieren können. Verzweifelt suchen ihr Mann Olkodan und die gemeinsamen Freunde inmitten des Chaos‘ aus Brandschatzung und Mord nach Iviidis. Es ist jedoch ihre dunkle Schwester Rutaaura, die ihr in der größten Not beisteht und dabei ihre eigenen Fähigkeiten entdeckt. Auch Rutaaura ist in Sorge, weil ein Krieg zwischen den Völkern immer wahrscheinlicher wird. Zusammen mit zwei weiteren Ausgestoßenen bereist sie die Lande, sammelt Informationen und stößt schließlich auf andere Dunkle, von denen einige sie gern für ihre Zwecke benutzen möchten.

Susanne Gerdom versteht es, den Lesern ein altbekanntes Thema durch ihren routinierten Stil, die unterhaltsame Erzählweise und vor allem dank sympathischer Akteure nahezubringen, so dass man den Roman nicht zur Seite legt, trotzdem er wenig Neues bietet und stattdessen auf Archetypen und Versatzstücken beruht, die man aus J. R. R. Tolkiens „Herr der Ringe“, Terry Brooks‘ „Das Schwert von Shannara“ oder Jerry Nichols „Urshurak“ (vor allem bekannt durch die Illustrationen der Gebrüder Hildebrandt) kennt. Die klassischen Fantasy-Völker leben mehr oder weniger friedlich nebeneinander. Jene, die die gegenwärtige Ruhe schätzen und versuchen, Vorurteile abzubauen und freundschaftliche Bande zu knüpfen, fürchten, dass der brüchige Frieden in Gefahr ist, denn Unzufriedene gibt es unter den Elben genauso wie unter den Zwergen und den Menschen (die zunächst keine große Rolle spielen). Allein einige Außenseiter und wenige aufgeschlossene Personen sind bestrebt, das Unheil abzuwenden.

Bei diesen, den Hauptfiguren, handelt es sich um kluge und vorausschauende Repräsentanten der verschiedenen Völker und Stämme, die auf besondere Fähigkeiten zurückgreifen können und immer wieder Helfer finden, wenn sie allein nicht mehr weiterkommen. Die Beziehungen und persönlichen Probleme der Protagonisten rangieren vor einer Handlung, die vor allem von den regelmäßigen Szenen-Wechseln zu den drei wichtigsten Schauplätzen lebt und weniger auf Spannung oder gar Action setzt. Konflikte und Auseinandersetzungen verlaufen daher auch eher harmlos, die Sympathieträger überstehen jede kritische Situation, die Lösungen wirken mitunter sehr einfach, vor allem gegen Ende des Buchs, als nach dem langsamen, ausführlichen Aufbau das Tempo unvermittelt angezogen wird. Wie schnell Rutaaura Iviidis zu Hilfe eilt, erweckt den Eindruck, als habe die Autorin keine Lust gehabt, erneut eine langwierige Reise zu beschreiben, zumal das Seitensoll wohl schon erfüllt war.

Das Happy End ist dementsprechend keine große Überraschung, denn die Täter werden entlarvt und bestraft, die tapferen Helden belohnt und in eine Position gebracht, die es ihnen ermöglicht, in der Fortsetzung – „Die Seele der Elben“ – nicht nur die weiteren Geheimnisse ihres Volkes zu enträtseln, insbesondere was die Beziehung zwischen Goldenen und Dunklen betrifft, sondern auch daran zu arbeiten, den Frieden zu bewahren. Vielleicht werden im zweiten Roman auch die Zwerge etwas mehr in die Handlung eingebunden, denn dieser und einige andere Stränge wurden am Schluss nicht vertäut.

Alles in allem ist „Elbenzorn“ ein etwas träger Fantasy-Roman mit sympathischen Archetypen und einem nicht ganz runden Ende, der vor allem ein Publikum anspricht, das gerade erst die High Fantasy für sich entdeckt hat und von klassischen Themen, Völkern und Personenkonstellationen lesen möchte, dabei auf ausufernde Kämpfe zugunsten detailreicher Charakterbeschreibungen gern verzichtet.