Jocelynn Drake: Nightwalker – Jägerin der Nacht 1 (Buch)

Jocelynn Drake
Nightwalker
Jägerin der Nacht 1
(Nightwalker – The First Dark Days Novel, 2008)
Aus dem Amerikanischen von Antje Görnig
Titelgestaltung von HildenDesign, München unter Verwendung eines Motivs von Pascal Genest/Istock (Frau) und Brandon Jennings/Shutterstock (Stadt)
Lyx, 2009, Taschenbuch mit Klappenbroschur, 408 Seiten, 9,95 EUR, ISBN 978-3-8025-8251-6

Von Alexandra Balzer

Vor rund fünfhundert Jahren wurde die Vampirin Mira von den Naturi entführt – elfenartige Wesen, die nichts mit Märchen und Sternenstaub zu tun haben. In Machu Pichu haben sie Mira grausam gefoltert, um sie als Waffe gegen die anderen Nachtwandler umformen zu können. Denn Mira ist einzigartig unter ihresgleichen: Sie beherrscht das Feuer und ist damit eine Gefahr für Naturi und Nachtwandler zugleich. Mira wurde damals befreit, die Naturi nahezu vernichtet.

500 Jahre später herrscht die „Feuermacherin“ über ihre eigene kleine Domäne in Amerika, fern von den alten Vampiren und dem Konvent, der sie so gerne unterwerfen würde.
Als der Vampirjäger Danaus in ihre Stadt kommt, ahnt Mira noch nicht, dass er bald ihr ganzes Dasein auf den Kopf stellen wird. Danaus ist nicht gekommen, um sie zu vernichten, sondern um ihre Hilfe gegen die Naturi einzufordern, die erneut auf dem Vormarsch sind. Mira muss das Bündnis mit ihm eingehen, denn sie findet sich bald im Mittelpunkt von Gewalt, Intrigen und blutigen Kämpfen wieder, und es ist zu keinem Zeitpunkt mehr klar, wer Freund, Feind oder Feind ihrer Feinde ist.

„Nightwalker“ ist der Auftakt einer neuen Vampirserie. Davon gibt es zurzeit eigentlich mehr als genug, dennoch ist das Buch es wert, ihm Aufmerksamkeit zu schenken. Nicht nur, weil der Vampir zur Abwechslung mal weiblich ist und mit den bösartigen Elfenwesen ein interessantes Motiv eingeflochten wurde, sondern auch, weil hier endlich mal nicht auf gefühlten 30.000 Seiten bejammert wird, wie furchtbar das untote Leben doch ist. Es muss auch nicht auf jeder dritten Seite anatomische Tiefenforschung betrieben werden, ein weiterer großer Pluspunkt!

Etwas gewöhnungsbedürftig ist der Ich-Erzähler. Die wenigsten Autoren schaffen es durchgängig, die Hauptperson in der Ich-Form lebensnah herüberzubringen und auch wirkt Mira häufiger ein wenig überspannt oder sogar unsympathisch. Die Autorin hat aber mit ihrer Entscheidung die richtige Wahl getroffen, denn Mira ist ein solch widersprüchlicher Charakter, dass sie aus der gewöhnlichen Erzählperspektive wohl unglaubwürdig geworden wäre.
Einerseits ist sie mit ihren über 600 Jahren für einen Vampir noch fast jung, aber doch schon im gesetzteren Alter und durchaus mächtig. Sie herrscht souverän über ihre Stadt, gilt als brutal, skrupellos und hat im Laufe ihres Daseins hauptsächlich deshalb überlebt, weil sie ihre Feinde unter den Nachtwandlern töten konnte. Vampire, die innerhalb ihrer Domäne gegen die Gesetze verstoßen, werden von ihr ohne Gnade abgeschlachtet. Andererseits ist sie, gelinde gesagt, zimperlich, sobald sie ‚unschuldige’ Todesopfer sieht, hat erstaunlich viel Mit-, Ehr- und sonstige Gefühle über die Jahrhunderte gerettet, erliegt häufiger mal hysterischen Panikattacken und ist insgesamt emotional so ausbalanciert wie eine Lok auf drei Rädern.
Das Problem liegt dabei möglicherweise darin, dass die Autorin kein geeignetes Maß für erlittene Folterqualen gefunden hat. Mira wurde so oft von unterschiedlichen Feinden auf ‚unvorstellbar grausame Weise’ gefoltert, findet aber immer noch Menschen/Vampire/Naturi, die das Ganze steigern können oder denen es sogar noch schlechter ergangen ist als ihr. Miras Innenansichten helfen, ihre Entwicklung nachzuvollziehen und hinnehmen zu können, dass sie eben durch und durch ihrem feurigen Element entspricht.

Mit Danaus hat Jocelynn Drake einen hochinteressanten Gegenpart geschaffen, der noch viel Potential für die nachfolgenden Bände lässt. Auch Jabari und der Magier Ryan sind Figuren, die man gerne verfolgt.

Dieses Buch bietet wunderbares, Action geladenes Lesevergnügen. Für Durchhänger bleibt gar keine Zeit, und die vielen offenen Handlungsstränge machen neugierig auf die Fortsetzung. Wer sich also mit Gewalt und Vampirgenuss unterhalten will, über gewisse (psycho-) logische Aussetzer nicht länger nachdenken muss und kein Problem damit hat, dass die Romantik sich auf erotische Spannung begrenzt, jeglicher Herzschmerz draußen bleibt, ist hier genau an der richtigen Adresse.