Gruselkabinett 49: Der weiße Wolf, Frederick Marryat (Hörspiel)

Frederick Marryat & Mark Gruppe (Script)
Der weiße Wolf
Gruselkabinett 49
Sprecher: Nicolas Artajo, Max Felder, Gabrielle Pietermann, Peter Reinhardt, Petra Barthel, Axel Lutter u. a.
Musik: Andy Matern
Cover: Firuz Askin
Titania Medien, 2010, 1 CD, ca. 68 Minuten, ca. 11,00 EUR, ISBN 978-3-7857-4392-8

Von Christel Scheja

Der englische Marineoffizier und Universalgelehrte Frederick Marryat (1792-1848) entwickelte einen Signalcode für die Handelsschifffahrt und war auch sonst als Abenteurer und Erfinder tätig, wenn er sich nicht gerade um sein Gut kümmerte oder in den Salons der besseren Gesellschaft unterwegs war. Erst ab 1830 widmete er sich ganz dem Schreiben. Die Geschichte „Der weiße Wolf“ ist eigentlich ein Teil seiner Novelle „The Phantom Ship“, wurde aber später auch noch einmal separat veröffentlicht.

Auch wenn er leibeigen ist, führte der Gutsverwalter Krantz bisher ein gutes Leben – bis zu dem Tag, an dem erkennen muss, welchen Preis er dafür gezahlt hat, denn sein Herr vergnügt sich schon eine ganze Weile mit seiner jungen und hübschen Frau. Er erschlägt die beiden Ehebrecher und flieht mit seinem Kindern Caesar, Armin und Marcella in die undurchdringlichen Wälder des Harzes. In einer abgelegenen Hütte finden die vier Zuflucht und bauen sich ein neues, wenn auch sehr einfaches Leben in der Wildnis und dem Schatten der Wölfe, die nachts durch die Wälder streifen, auf. Allerdings haben die Kinder sehr unter seinen Launen zu leiden, vor allem seine Tochter, in der er ein weiteres sündiges Weib sieht, das es zu maßregeln gilt. Das allerdings ändert sich, als ein angeblicher Vetter des Gutsverwalters zusammen mit seiner Tochter Kristina Zuflucht bei ihnen sucht. Die schöne und laszive Frau verdreht allen Männern den Kopf, vor allem aber dem alten Mann, der sie schließlich zu seinem Weib macht. Doch die Kinder ahnen, dass etwas mit ihrer Stiefmutter nicht stimmt – schleicht diese doch des Nachts öfters aus dem Haus. Doch auch sie können nicht verhindern, dass das Schicksal schließlich durch einen leichtfertig gegebenen Schwur seinen verhängnisvollen Lauf nimmt...

„Der weiße Wolf“ beginnt sehr konventionell mit der Rache eines gehörnten Ehemannes, der von nun an gerade vom weiblichen Teil der Menschheit ziemlich enttäuscht ist. Die Geschichte nimmt sich Zeit, die Figuren einzuführen und Ambiente zu schaffen. Doch mit der Zeit merkt man, dass es hier um anderes geht als Sühne. Gerade die Tat des Gutsverwalters macht ihn empfänglich für den Zauber der dunklen Geister des Harzes. Das gibt dem eingebundenen Werwolf-Mythos eine ganz eigene Note, die man so heute nur noch selten zu lesen bekommt, und steigert die Spannung ungemein, auch wenn man sehr früh weiß, was Kristina ist und auch der über der Familie liegende Fluch keinen Zweifel daran lässt, dass er sich erfüllen wird.

Die Geschichte ist sehr atmosphärisch, da das Zusammenspiel von Stimmen, Musik und Soundeffekten stimmt. Die Sprecher agieren sehr gekonnt und machen ihre Figuren lebendig, das gilt sowohl für die Familie Kranz als auch die geheimnisvolle Kristina, die nach und nach immer mehr von ihrer Maske fallen lässt. Alles in allem hört man gebannt von Anfang bis Ende zu, da es immer wieder Überraschungen gibt.

„Der weiße Wolf“ ist ein stimmungsvolles Hörspiel, das gerade durch seine etwas andere Deutung des Werwolf-Mythos an Spannung und Tiefe gewinnt.