Shea Ernshaw: Der Fluch der Hexen (Buch)

Shea Ernshaw
Der Fluch der Hexen
(Wicked Deep, 2018)
Übersetzung: Claudia Rapp
Titelbild: Arndt Drechsler-Zakrzewski
Festa, 2022, Hardcover, 406 Seiten, 26,99 EUR

 

Rezension von Carsten Kuhr

Wir schrieben das Jahr 1822, als drei betörend schöne Schwestern an Bord der „Lady Astor“ in Sparrow, Oregon, eintrafen. Zusammen mit anderen Siedlern ließen sie sich in der neu gegründeten Ansiedlung am Meer nieder. Dass sie die Ehegatten und Jungen der Familien verführten, wurde ihnen zum Verhängnis. Mit einem Sack Steinen an den Füßen, wurden die als Hexen verfolgten Schwestern dem kalten, tiefen Wasser übergeben.

Seitdem aber liegt ein Fluch über der Küstenstadt. Wenn sich die Hinrichtung jährt, erhebt sich ein betörender Sirenengesang aus den Wellen, lockt junge, hübsche Mädchen ins Nass, deren Körper von den einst geopferten Hexen dann in Besitz genommen werden. Kurz darauf beginnt das Sterben - immer trifft es junge Männer, zumeist drei, bis der Spuk nach zwei Monden bis zum folgenden Jahr wieder aufhört.

Zwischenzeitlich ist die sich jährlich wiederholende Tragödie zur Touristen-Attraktion verkommen. Sensationslüsterne aus Nah und Fern reisen in die Stadt, bringen ihre hart erarbeiteten Dollars in die Herbergen und Wirtschaften, nur, um ungeduldig auf dem Sirenengesang und die angeschwemmten Leichen zu warten.

Die 17jährige Penny wohnt auf einer der vorgelagerten Inseln. Hier kümmert sie sich, nach dem spurlosen Verschwinden ihres Vaters, um die depressive Mutter. Als Bo, ein junger Mann, in die Stadt kommt und nach Arbeit sucht, stellt sie ihn an. Er soll den Leuchtturm betreuen, dazu die Obstbäume schneiden - und nach Möglichkeit vom Fluch und einem nassen Grab verschont bleiben. Doch Bo hat ganz eigene Ziele - Ziele, die mit dem Fluch und ihren Verursachern zu tun haben.


Shea Ernshaw erzählt uns eine leise Geschichte. Es geht um die Heimsuchung einer kleinen Küstenstadt, um deren Bewohner, um Schuld und Sühne. Und es geht um eine junge Frau, die dabei ist, sich selbst, ihr Glück, ihre Zukunft zu opfern.

Dazu kommt, dass der Plot uns einen interessanten Gegensatz offeriert: hier der Gothic-Fluch der Swan-Schwestern, dort der kommerziell ausgenutzte Hype um die Heimsuchung und deren Opfer. Gerade Letzteres, das Medien-Ereignis, das jedes Jahr Schaulustige von Nah und Fern ins Örtchen bringt, verleiht der Handlung eine selten gelesene Realität. Könnte es nicht so sein, wie beschrieben, dass getrieben von Sensationsgier und dem Kokettieren mit der lauernden Gefahr die abgestumpften, ungläubigen Menschen wirklich in den Ort strömen, sich der Gefahr aussetzen, letztlich als Wasserleiche zu enden? Mehr als denkbar wäre dies.

Letztendlich treffen und vereinen sich die Handlungsfäden, werden die Geheimnisse in sich logisch aufgelöst und die Handlung zu einem befriedigenden, so nicht vorhersehbaren Schluss geführt.