Jodi Taylor: Doktor Maxwells waghalsiger Zeitbetrug (Buch)

Jodi Taylor

Doktor Maxwells waghalsiger Zeitbetrug

(Lies, Damned Lies, and History, 2016)

Übersetzung: Marianne Schmidt

Blanvalet, 2023, Taschenbuch, 522 Seiten, 11,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Wir wissen es ja alle: Zeitreisen sind unmöglich, ein Hirngespinst, etwas, an das nur Verrückte glauben. Nur, einfach einmal so ins Blaue hinein, was wäre, wenn Zeitreisen doch irgendwie denkbar wären? Könnte die Zeitlinie durch Handlungen der Reisenden verändert werden, die Welt danach eine ganz andere sein? Dürften die Forschenden - und mal ehrlich, Tourismus in die Vergangenheit scheint doch mehr als weit hergeholt zu sein - denn überhaupt ihre Zeitreise-Maschine verlassen, mit den ortsansässigen Menschen interagieren?

Fragen, deren Beantwortung uns, den Historikern von St. Mary’s, dem Institut, das eben jene undenkbaren Zeitreisen zu Forschungszwecken durchführt, in Fleisch und Blut übergegangen sind.

Gestatten, Dr. Madeleine Maxwell, besser bekannt unter dem Namen Max, studierte Geschichtswissenschaftlerin und Leiterin der Historischen Abteilung des St. Mary’s. Seit ein paar Jahren bin ich nun in der Vergangenheit unterwegs, habe Troja, die alten Griechen, Ägypten und unsere englische Geschichte besucht und bestaunt. Ich durfte historische Gestalten zuhauf während ihres geschichtsträchtigen Wirkens beobachten. Nun fühle ich mich wie eine Ente auf dem Land - sprich, ich watschele mehr durch die Zeiten, als dass ich renne. Und zum Rennen gäbe es wahrlich genügend Gründe, sind doch mal wieder gekrönte Häupter ebenso hinter uns her, wie Erzschurken und das Schicksal in Form eines Schneesturms und einer Springflut.

Dass ich nicht so rennen kann, wie einst in jungen Jahren, liegt daran, dass ich einen etwas ausladenden Vorderbau mit mir herumtrage - ein Nistplatz für meinen Nachwuchs. Ja, ich Max werde Mama!

Vorher aber sorge ich noch dafür, dass die Karrieren meiner Freunde den Lokus runterrauschen, dass St. Mary’s einen neuen Leiter - einen Vollpfosten, nein mehr einen Vollhorst - bekommt, und ein Segen vom Land genommen wird. So nebenbei lerne ich König Arthus und Excalibur kennen, werde von allen Ex-Kollegen gemieden wie die Pest und Lepra zusammen und wer meint, dass mein Leben damit jetzt wirklich genug Aufregung und Dramatik hätte, der ahnt nicht, was Schicksal und Autor sonst noch für mich in petto haben…


Im siebten von bislang im Original elf Titeln um unsere wackere Historikerin entwickelt Jodi Taylor ihre Erzählerin fort. Nicht länger ist sie die gefeierte Anführerin, die Draufgängerin und charismatische Historikerin - sie wird Mutter! Mehr noch, sie verkackt es so ziemlich, ist fast für den Untergang der Stiftung verantwortlich. Dementsprechend bietet der Roman eine gewisse - moderate - Zäsur.

Das Unbekümmerte, das Draufgängertum ist zwar noch da, doch erstmals wird Max so richtig mit den bitteren Konsequenzen ihrer Handlung konfrontiert. Ja, sie hat auch schon früher Feinde an die Türschwelle gebracht, doch dass ihre eigenen Freunde und Kollegen sich von ihr abwenden, das gab es noch nicht.

Dazu kommt, dass Mrs. Taylor es dieses Mal gar zu gut meint mit ihren Abstechern in die Vergangenheit. Ich mochte die Besuche an geschichtsträchtigen Orten ja immer, boten sie doch bislang durchweg wunderbar interessante und sorgfältig recherchierte Begegnungen mit anderen Zeiten und historischen Figuren. Die Reisen zu Schlachten und Krönungen boten nicht nur Dramatik, sondern immer auch einen Blick auf eine andere Zeit, einen uns fremden, weil lange vergangenen Ort. Dazu kam die zumeist der Situation innewohnende Komik, wenn moderne Menschen in eine Zeit versetzt werden, in der aktuelle Standards unbekannt sind. Anpassungsschwierigkeiten gab es hier zuhauf, die so manches Mal das Zwerchfell trainierten.

Vorliegend aber hüpft unsere Historikerin ebenso überhastet wie unvorbereitet in viel zu viele Zeiten, als dass diese dann wirklich überzeugend beschrieben würden. Das wirkte auf mich wie ein Tour-de-Force-Ritt, soll die etwas unkoordiniert wirkende Handlung voranbringen, lässt aber das große Pfund Jodi Taylors, eben die Begreifbarmachung historischer Ereignisse und Lebensweisen, vermissen. Das kann sie viel besser, zumal auch der den Romanen sonst immer innewohnende Humor etwas kurz kommt.

Hoffen wir, dass die Verfasserin sich bald wieder auf alte Stärken besinnt.