Jim Butcher: Grabesruhe - Die dunklen Fälle des Harry Dresden 3 (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Dienstag, 17. Januar 2023 18:56
Jim Butcher
Grabesruhe
Die dunklen Fälle des Harry Dresden 3
(Grave Peril, 2001)
Übersetzung: Jürgen Langowski
Blanvalet , 2022, Taschenbuch, 540 Seiten, 12,00 EUR
Rezension von Carsten Kuhr
Stellen Sie sich mal Peter Falk in seiner Paraderolle des etwas trotteligen, aber liebenswerten Inspektor Columbo vor. Nur, dass er statt in L. A. in Chicago ermittelt, und dass auch nicht immer im Auftrag der Polizei. Nun geben Sie, um dem Ganzen noch zusätzliche Würze zu verleihen, noch eine Prise Magie, übernatürliche Wesen und Dämonen hinzu, rühren alles gut um und fertig ist Butchers Geniestreich um Harry Dresden.
Die ersten beiden Romane um den chaotischen Magier und Detektiv, der in einem Chicago unserer Zeit insbesondere in übernatürlichen Ermittlungen auftritt, überzeugten durch Tempo, Witz und skurrile Charaktere.
Auch der Auftakt von Band 3 ist vielversprechend. Da macht sich unser Detektiv zusammen mit einem Streiter Gottes, der nicht nur das Gewand eines Templers zu seinem Flanellhemd und den Sicherheitsstiefeln trägt, sondern auch „Amoracchius“ - eines der drei heiligen Schwerter mit einem Nagel aus dem Kreuz Christi - sein Eigen nennt auf, die in letzter Zeit immer massiver umgehenden Geister und Dämonen zu bannen. Was nur schreckt die Toten auf, warum ist die Grenze zum Niemalsland so dünn und durchlässig wie noch nie?
Verfolgt von rachsüchtigen Geistern, seiner Paten-Tante Lea, immerhin eine waschechte Angehörige der hohen Sidhe, schlittert Harry immer weiter in die Bredouille. Seine Freunde werden von rachsüchtigen Geistern verfolgt, von Alpträumen gemartert und ausgeschaltet.
Als er eine förmliche Einladung zum Ball der Vampire erhält, die er als offizieller Repräsentant des Weißen Rates der Magier unmöglich ablehnen kann, weiß er, was die Stunde geschlagen hat. Mit seiner Freundin Susan hat die Vampir-Baronin Bianca das ideale Druckmittel gegen Harry in der Hand. Da hilft es wenig, dass sich unerwartete Verbündete auf Harrys Seite schlagen; nach Jahrhunderten droht eine neue Auseinandersetzung - der Krieg zwischen Vampiren und Magiern, der Krieg der alles auslöschen kann...
Tempo, Ideenwitz und markante Gestalten, so habe ich zu Beginn dieser Besprechung die ersten beiden Bände um Harry Dresden zusammengefasst. Vorliegender dritter Teil der Reihe ist sowohl vom Aufbau her als auch von der Handlung anders angelegt, als die vorhergehenden Teile.
Harry als Person ist eingeführt, seine Umgebung wurde beleuchtet, hier erwartet den Leser nichts wirklich Neues. Während andere Autoren ihren Protagonisten nun im Auftrag verzweifelter Eltern, getäuschter Geschäftspartner oder gehörnter Ehefrauen auf die Suche nach übernatürlichen Bösewichtern geschickt hätten, versucht Butcher seine Handlung auf eine größere Ebene zu heben - und scheitert dabei... zumindest vorerst.
Was bislang in einem lokalen Kolorit gehalten wurde, und hier gerade durch die fast schon kleinstädtische Vertrautheit der Handelnden untereinander und deren verbale Auseinandersetzungen Pep und Spritzigkeit bekam, das funktioniert auf der größeren Bühne nicht.
Lange bleibt die Handlung rätselhaft, vom Motiv des Verantwortlichen für die Eskalation allerorten gar nicht zu sprechen.
Viel von der Faszination der ersten Bände erreichte Butcher durch die Darstellung einer uns bekannten, hochtechnisierten Welt, in der eben diese hochgezüchtete Technik ein ums andere Mal das Nachsehen gegenüber der Magie hat. Sei es, dass technische Geräte in der Reichweite unseres Helden dazu tendieren ihren Geist aufzugeben und Harry daher in einer Souterrain-Wohnung ohne fließend heißes Wasser oder Heizung sein oftmals kärgliches Dasein fristet, oder die Polizei mit all ihren CSI-Methoden an Schauplätzen okkulter Verbrechen ratlos dasteht - das wirkte in sich überzeugend, gleichzeitig nahm der Autor so manche Technikgläubigkeit augenzwinkernd auf die Schippe. Dazu gesellte sich die Beschreibung eines Junggesellen, der trotz aller Gaben, die ihm in der Theorie Macht und Ansehen verschaffen sollten, ein chaotisches Leben ohne Glanz und Gloria, dafür mit umso mehr Sorgen und Frust führt. Butcher rührte mich mit seiner Beschreibung des zwar schlitzohrigen, aber nur zu oft scheiternden Helden.
Ganz anders in „Grabesruhe“. Hier entfesselt Harry plötzlich magische Feuer, die Schuldige wie Unschuldige gleichermaßen zu Asche verbrennen, hier wird aus unserem kleinen, unwichtigen Rädchen im Rat der Magier plötzlich eine wichtige Person, deren Vernichtung wegweisend für das Schicksal der Welt sein soll, Plötzlich gelingen Harry die Bannsprüche, scheinbar mühelos wechselt er zwischen Niemalsland und unserer Welt hin und her; ist von dem eigenen Unvermögen, das gerade die Person Harry so sympathisch gemacht hat, kaum mehr etwas zu entdecken.
Diese Entwicklung, diese Änderung im Auftreten, in den Fähigkeiten wird uns nicht erklärt, und bleibt damit unglaubwürdig. Das ist nicht mehr mein Harry, der im Grunde seines Herzens die Beine baumeln lassen will, der sich nach Ausgleich sehnt und dessen Vorstellung eines guten Tages viel mit Ausschlafen, Essen, Faulenzen und sich mit seiner Freundin-Vergnügen zu tun hat; das ist ein Magier, der Verantwortung sucht und übernimmt - nicht weil er vom Schicksal dazu gezwungen wird, sondern, weil er ist wer er ist.
Auf der Strecke bleibt dabei viel der Vertrautheit mit unserem Ganover-Helden. Stattdessen zieht Butcher das Tempo immer weiter an, überschüttet uns und seinen Erzähler förmlich mit lebensgefährlichen Situationen und opfert dafür ein wenig das nett-trottelige Image Harrys.
Nun sind wir, die wir die weiteren Abenteuer Dresdens bereits goutiert haben, zwischenzeitlich natürlich schlauer. Butcher hat die Kurve in den nächsten Romanen gekriegt, hat seinen Dresden wieder besser in der beschriebenen Welt verankert und um markante Figuren an seiner Seite bereichert.
Vorliegender Roman ist daher ein etwas zu überhastet vorangetriebenes Stück um unseren Magier, das diesen zu abrupt in die große Welt der Mächtigen katapultiert. Dass dies in sich nicht stimmig wirkt habe ich erwähnt, dass es in den nächsten Teilen deutlich besser wird, auch.