Der tönerne Thron 1: Der Ritter mit der Axt (Comic)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Freitag, 31. Dezember 2010 10:22
Der tönerne Thron 1
Der Ritter mit der Axt
(Le Trône D'Argile: Le Chevalier À la Hache)
Text: Nicolas Jarry
Zeichnungen: Theo Caneschi
Farben: Lorenzo Pieri
Übersetzung: Tanja Krämling
Lettering: Kai Frenken
Splitter, 2010, Hardcover, 56 Seiten, 13,80 EUR, ISBN 978-3-86869-186-3
Von Frank Drehmel
Paris, 1418: Seit 1337 tobt nicht nur zwischen England und Frankreich ein erbitterter Krieg um die französische Thronfolge, sondern mittlerweile droht auch der innerfranzösische Konflikt zwischen den Bourguignons und den Armagnacs das Land zu zerreißen.
Tanneguy du Châtel, ein treuer Gefolgsmann des französischen Königshauses und Anhänger Bernhard VII. von Armagnac, hat im Palast alle Hände voll zu tun, nicht nur das Leben seines Königs, Karl VI, welcher phasenweise in eine Art geistige Umnachtung fällt und in diesen Momenten schlichtweg nicht mehr rational ansprechbar ist, zu schützen, sondern muss nach der Ermordung der beiden Prinzen Louis und Jean dem überlebenden vierzehnjährigen Thronfolger Karl jenen Rückhalt bieten, der ihn in die Lage versetzt, die Regierungsgeschäfte seines Vaters zu übernehmen, sollte dieser ein Opfer seines Irrsinns werden. In dieser für ihn schwierigen Situation wird Tanneguy zufällig Zeuge eines Gesprächs, in dem Bernhard VII. von Armagnac den Auftrag für die Ermordung der Prinzen übernimmt, da er in ihnen und ihren Bündnissen eine Gefahr für Frankreich erkannt zu haben glaubte und daher der Meinung war beziehungsweise ist, nur der junge Karl könne das Königreich einigen und retten. Lediglich die Tatsache, dass der Tod Armagnacs mit Sicherheit dazu führte, dass die verhassten Engländer und Burgunder die Macht an sich reißen, hindert du Châtel daran, dem Verräter auf der Stelle die Kehle durchzuschneiden; so gibt der Edelmann Bernhard um des gemeinsamen Ziels Willen zwar die Gelegenheit, sein Verbrechen durch Unterstützung des Königs zu sühnen, sagt sich jedoch gleichzeitig vom Lager der Armagnacs los. Als die Burgunder infolge des Verrats eines kleinen Jungen in die Stadt eindringen, spitzt sich die Lage zu. Während der König sich in geistiger Umnachtung auf die Seite der Angreifer stellt, gelingt es Tanneguy, Karl sowie dem jungen Ritter Ambroise de Loré, sich zusammen mit hundert Getreuen in der Bastille zu verschanzen; allerdings ist absehbar, dass die Festung wegen der begrenzten Ressourcen nur kurze Zeit zu halten sein wird, sodass du Châttel beschließt, de Loré solle Karl aus der Stadt in Sicherheit bringen. Der Plan gelingt, doch allzu schnell sind den beiden Fliehenden die Burgunder auf den Fersen.
Nicht nur in die Belletristik haben seit geraumer Zeit historische Themen Einzug gehalten, auch Comic-Autoren nehmen sich zunehmend zeitgeschichtlicher Stoffe an, wobei historische Authentizität nicht immer – um es vorsichtig auszudrücken – ein zentrales Anliegen zu sein scheint, sondern die Historie oftmals nur den Rahmen für wilde Verschwörungstheorien, actionreiche, abenteuerliche Mantel- und Degen-Szenarien oder krude, esoterische Botschaften darstellt.
„Der Ritter mit der Axt“ nun hebt sich wohltuend von den möglicherweise zwar spannenden, aber aufgrund ihrer „Realitätsferne“ oft etwas unbefriedigenden Storys dadurch ab, dass – abgesehen von der sprachlichen Ausgestaltung und einigen leichten Überzeichnungen – Protagonisten, Szenario und Hintergrund durchweg plausibel, stimmig sowie authentisch erscheinen, dem Leser also reale Geschichte auf eine lockere und zudem spannende Art und Weise nahegebracht wird.
Ohne die Dramatis personae im Anhang sowie den kurzen Abriss über die Hintergründe der Story, würde das tiefere Verständnis allerdings nur geschichtlich bewanderten Bildungsbürgern vorbehalten bleiben. So jedoch ist "Der tönerne Thron" nahezu jedem Leser zugänglich.
Zur Authentizität der Geschichte trägt nicht zuletzt Theo Caneschis Artwork bei, von dem unlängst das erste Album der Reihe „Der schreckliche Papst“ von Splitter veröffentlicht wurde. Im Gegensatz zu den dortigen sehr feinen Zeichnungen, wirkt sein Strich im vorliegenden Album zwar noch erkennbar kräftiger, arbeitet er weniger mit fein ziselierten Schraffuren, dennoch erweist er sich schon hier – im früheren Werk – als kenntnisreicher historischer Illustrator, der mit Liebe zum Detail Zeitgeschichte und zeitgeschichtliches Ambiente in dynamische Bilder bannt.
Fazit: Historie in Comic-Form. Wer nicht unbedingt nach Monstern, Mumien und Mutationen sucht, sollte einen Blick in dieses gleichermaßen spannend inszenierte wie lebendig visualisierte Album werfen.