Silvia Moreno-Garcia: Der mexikanische Fluch (Hörbuch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Dienstag, 03. Januar 2023 21:10

Silvia Moreno-Garcia
Der mexikanische Fluch
(Mexican Gothic, 2020)
Übersetzung: Frauke Meier
Ungekürzte Lesung von Julia Nachtmann
Der Audio Verlag, 2022, 2 CDs, ca. 750 Minuten, 22,00 EUR
Rezension von Elmar Huber
Mexiko-Stadt, 1950: Ein besorgniserregender Brief ihrer Cousine Catalina veranlasst die junge Noemí Taboada dem abgelegenen Sitz der Familie Doyle einen Besuch abzustatten, wo sie sich ein Bild vom Gesundheits- und Geisteszustand ihrer Cousine machen soll.
Noemí ist alles andere als willkommen auf dem Anwesen, das zweifellos schon bessere Tage gesehen hat und, ebenso wie die Bewohner, eine unfreundliche Kälte ausstrahlt. So wundert es nicht, dass die einst lebenslustige Catalina beinahe apathisch das Bett hütet. Ihr Zustand wird als Tuberkulose abgetan, was strikte Ruhe und wöchentliche Besuche des Hausarztes erfordert. Alle Versuche, eine zweite Meinung einzuholen, oder Catalina vielleicht sogar nach Mexiko-City mitzunehmen, um sie dort einer psychiatrischen Behandlung zuzuführen, werden abgeblockt.
Zudem bemerkt Noemí immer deutlicher, dass in dem abgeschotteten High Place, wie das Doyle-Haus genannt wird, nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Ein Jahrzehnte zurückliegender Mord wirft seine Schatten noch immer über die Bewohner, und das gealterte Familienoberhaupt Howard ist besessen von Genetik und Rassenlehre.
Silvia Moreno-Garcia hat mit „Mexican Gothic”, so der Originaltitel, einen Überraschungshit gelandet und dafür 2021 den British Fantasy Award und den Locus Award gewonnen, neben Nominierungen für einige andere namhafte Phantastik-Awards.
Zu Beginn nimmt die Autorin Anleihen an „Dracula“ und „Der Fluch des Hauses Usher“; Catalina ist im Roman sogar Fan der Brontë-Schwestern und ihrer „Gothic Tales“. Weitere Inspiration dürfte von Guillermo del Toros bildgewaltigem „Crimson Peak“ herrühren. In Kombination mit dem außergewöhnlichen Schauplatz Mexiko lässt sich eine dichte Schauer-Geschichte mit einem erfrischenden Flair erwarten.
Der Auftakt vermag den Leser auch mühelos mitzunehmen. Heldin Noemí wird zunächst als oberflächliches Partygirl gezeigt, die aber bald auch eine überlegte, wissbegierige und intelligente Seite offenbart. Ihr Charme und ihr gutes Aussehen, die sie auf den Hauptstadt-Partys zu einem begehrten Gast gemacht haben, stoßen auf High Place bald an ihre Grenzen.
Das Verhältnis zu ihrem ihr Schwager ist bestenfalls distanziert, Haushaltsvorstand Florence macht aus ihrem Missfallen keinen Hehl. Noemí scheint immer mehr Gefangene als Gast zu sein. Lediglich mit dem jungen Francis mag sich etwas wie eine zarte Freundschaft anzubahnen. Allgegenwärtig ist der einstige Wohlstand der Doyles, der in einer längst versiegten Silbermine begründet ist, und damit umso mehr die Zeichen der Verarmung, dennoch verhalten sich vor allem Virgil und Florence noch immer wie überlegene Herrenmenschen.
Leider schleichen sich mit fortlaufender Handlung Wiederholungserscheinungen und Längen ein, die sich immer mehr aufstapeln. Noemís Suche nach dem Geheimnis von High Place gestaltet sich wie ein generisches Adventure-Spiel. Nach und nach sammelt sie immer mehr Hinweise; Gespräche mit verschiedenen Personen und ihre Streifzüge durch das Haus fördern stets neue Puzzlestücke über die Vergangenheit der Familie ans Licht. Auch ihre eigenen Träume scheinen einen Teil zum Gesamtbild beizutragen. Trotzdem dreht sich die Geschichte ab einem gewissen Zeitpunkt merklich im Kreis, und es will sich kein Spannungsbogen mehr ausbilden. Diverse Einzelszenen sind zwar stimmungsvoll, bringen aber die Handlung nicht voran. Selbst Noemí wird nicht weiterentwickelt, und man verliert nach und nach das Interesse an der Figur und damit am Geschehen.
Der Schlussakt schließlich gestaltet sich deutlich zu lang und zu geschwätzig, sodass man ein baldiges Ende herbeisehnt, das jedoch überhaupt nicht mehr von sonderlichem Belang ist.
Der starke atmosphärische Anfang kann sein Versprechen nicht halten. „Der mexikanische Fluch“ biegt auf halber Strecke in die Belanglosigkeit ab und bietet im Grunde nichts Neues.