Theodora Goss: Das unheilvolle Geheimnis des faszinierenden Mädchens (Buch)

Theodora Goss
Das unheilvolle Geheimnis des faszinierenden Mädchens
Die außergewöhnlichen Abenteuer des Athena-Clubs 3
(The Sinister Mystery of the Mesmerizing Girl, 2019)
Übersetzung: Kerstin Fricke
Panini, 2022, Paperback, 446 Seiten, 18,00 EUR

 

Rezension von Carsten Kuhr

Stellen sie sich einmal vor, Figuren, die sie aus der Lektüre der romantischen Schauer-Literatur der Viktorianischen Ära kennen wären keine Erfindung. Es würde Sherlock Holmes und Dr. Watson, Graf Dracula, Frankenstein und Jekyll/Hyde, Dr. Moreau und van Helsing tatsächlich gegeben haben. Mehr noch, was wäre wenn diese - mal abgesehen von Holmes und Irene Adler versteht sich -, Abkömmlinge - ich sage bewusst nicht Kinder - in die Welt gesetzt hätten?

Wesen, die dank der skrupellosen Forschungen und Experimente ihrer „Väter“ - der so genannten Biologischen Transmutation - weit mehr sind, als nur Menschen. Genau hier setzt Goss in ihrer „Athena“-Trilogie an.

 

Im Abschlussband ihres Dreiteilers zieht es die jungen Damen wieder ins heimische London. Hier, am Sitz des Athena-Clubs wollen sie sich von den Mühen der abenteuerlichen Reise auf den Kontinent und den Begegnungen erholen. Nur, mit dem Zurücklehnen wird es - wie erwartet und erhofft - nichts. Kaum in London angekommen, müssen sie feststellen, dass ihr Hausmädchen Alice entführt wurde. Damit nicht genug, ist auch Holmes spurlos verschwunden. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt und die beiden Vorkommnisse miteinander verbindet.

Professor Moriarty, Mastermind des Verbrechens, hat den Sturz an den Reichenbach-Wasserfällen überlebt und seine Verbindung um den Order of the Golden Dawn reaktiviert. Ihr erklärtes Ziel ist es, das Empire zu neuer Größe zu verhelfen, die Immigration aus den Kolonien zu unterbinden und die englische Herrenrasse vor schädlichen Einflüssen zu bewahren. Dabei werden sie von einer alten Bekannten, Lydia Raymond, die ebenso wie ihre Tochter Alice über die Gabe des Mesmerismus verfügt, unterstützt. Sie planen nicht weniger, als eine altägyptische Priesterin von den Toten auferstehen zu lassen und die Queen zu entführen.

Pläne, die der Athena-Club nicht zulassen darf, nicht zulassen kann. So machen sich unsere wackeren Damen einmal mehr auf, dem starken Geschlecht zu zeigen, was eine Harke ist.


Theodora Goss hat sich vorliegend glücklicherweise wieder kürzer gefasst. Nachdem sie im Mittelband ihrer Trilogie sich zu ausschweifend mit letztlich für den Plot unrelevanten Themen beschäftigt hat, konzentriert sie sich nun wieder auf das Wesentliche. Und dies tut dem Buch gut! Das heißt nicht, dass es nicht Gastauftritte bekannter Figuren geben würde, letztlich aber geht es um die Suche nach Holmes und Alice, um die Verhinderung des Putsches und um die wieder lebendige Mumie.

Inzwischen kennen wir unsere Figuren, haben diese dank der jeweiligen Einführung sowie der Reise, während der sie ihre Fähigkeiten offenbaren und nutzen konnten, Profil gewonnen. Dabei geht die Verfasserin unauffällig auch auf die Diskriminierung von Frauen gerade auch in dem viktorianischen Zeitalter ein, fasst aber auch ein heißes Eisen an. Der Order of the Golden Dawn greift aktuelles Gedankengut heutiger rechter Parteien auf. Die Angst vor Überfremdung durch Immigranten - letztlich der entscheidende Punkt, der zum Brexit geführt hat -, die Befürchtung, dass die Pfründe, die den Honoratioren - natürlich ohne entsprechende Leistung – zustehen, diesen verloren gehen - das sind aktuelle Themen. Hier schlägt die Autorin geschickt den Bogen von der Ära ihrer Handlung in die Jetztzeit.

Leider verfolgt Goss ihre angerissene Behandlung der moralischen Frage, was Wissenschaft darf und was nicht, kaum mehr weiter. Hier wurde Potential verschenkt.

Dennoch ist dies erneut ein wunderbar altmodisch scheinender, dabei aber durchaus mit aktuellen Bezügen gespickter Abenteuer-Schmöker, dem es gelingt, die Ära einzufangen, die in ihrer Geschlechterrolle gefangenen Figuren lebensecht zu zeichnen und jede Menge spannende Abenteuer zu inkludieren.