Helene Sommerfeld: Zeit der Sehnsucht - Die Töchter der Ärztin 1 (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 24. Dezember 2022 10:12

Helene Sommerfeld
Zeit der Sehnsucht
Die Töchter der Ärztin 1
dtv, 2022 Taschenbuch, 512 Seiten, 12,95 EUR
Rezension von Christel Scheja
In den letzten Jahren richten Serien wie „Babylon Berlin“ und „Haus der Träume“ das Interesse der Leserschaft auf die auch in der deutschen Hauptstadt schillernden 20er Jahre. Mit „Die Töchter der Ärztin“ wird jedenfalls eine ungewöhnliche Familiengeschichte geschrieben, wie schon der erste Band „Zeit der Sehnsucht“ beweist.
Henny und Antonia haben wie ihre Mutter Ricarda Medizin studiert. Während die Ältere bereits seit Jahren eine Praxis führt und zugleich alleinerziehende Mutter ist, steht Antonia kurz vor dem Abschluss; sie hat einen großen Plan, nachdem ihr Herz in Berlin gebrochen wurde. Sie will nach Afrika gehen, an den Ort, an dem sie ihre ersten Lebensjahre verbrachte und dort die Anerkennung wie auch Abstand zu allem gewinnen. Doch dort erwarten sie nur Ernüchterung und letztendlich eine verwirrende Liebe zu dem Engländer Ben.
Derweil muss sich in Deutschland Henny mit ihrem Ex-Mann herumschlagen, der nach Jahren in Amerika wieder da ist und Interesse zeigt, vor allem an ihrer Tochter. Will er ihr diese wegnehmen?
Man hat nicht von ungefähr das Gefühl, dass die Geschichte die Fortführung einer anderen Saga zu sein scheint, ist es doch die Nachfolgereihe der Trilogie „Die Ärztin“, in der Ricarda im Vordergrund stand. Daher gibt es auch immer wieder Erläuterungen und Erklärungen zur Familie und ihrem Umfeld. Diese sticht natürlich aus der Masse heraus, denn nicht nur Ricarda und ihre Töchter gehen für die Zeit ungewöhnliche Wege, sondern auch der Rest der Familie.
Auch wenn Liebe gelegentlich eine Triebfeder ist, so sollte man doch nicht die großen Romanzen erwarten, sondern eher ein vielschichtiges Drama. Denn die Probleme, mit denen sich die Frauen herumschlagen müssen, sind erstaunlich modern, gerade auch in dieser Zeit. Die Autorin macht zudem deutlich, das Frauen zu dieser Zeit noch in der schlechteren Position waren und schwer zu kämpfen hatten, wenn sie nicht von einem Mann abhängig werden wollten, denn Heirat und Kinder, nicht der Beruf sollten im Zentrum ihres Leben stehen.
Da auch andere mit ihren Neigungen und Lebenswünschen herausfallen, bietet das Buch viele Themen und wirkt zugleich wie ein Sittengemälde der Zeit, denn selbst in Afrika ist immer noch der Dünkel und die Herablassung zu spüren, die die weißen Kolonialisten den Einheimischen entgegenbringen, selbst wenn sie es gut meinen.
Natürlich geht die Geschichte nicht allzu sehr in die Tiefe, denn sie will immer noch in erster Linie unterhalten und fesseln. Das gelingt ihr ganz gut, gerade wenn man offen dafür ist, dass Liebe und Romantik in verschiedenen Facetten daher kommt und das Leben den Helden oft grausame Schnippchen schlagen.
„Zeit der Sehnsucht“, der erste Band von „Die Töchter der Ärztin“, sei daher all jenen Lesern empfohlen, die ein breitgefächertes Sittengemälde der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts mögen und auch nichts dagegen haben, dass das Drama überwiegen darf und ein Happy End nicht unbedingt allen beschert wird.