Olivie Blake: The Atlas Six - Wissen ist tödlich (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Montag, 24. Oktober 2022 16:15
Olivie Blake
The Atlas Six - Wissen ist tödlich
(The Atlas Six, 2021)
Übersetzung: Heide Franck und Alexandra Jordan
Tor, 2022, Hardcover, 542 Seiten, 22,00 EUR
Rezension von Carsten Kuhr
Wir kennen die Geschichte vom Brand der großen Bibliothek von Alexandria, bei der unermessliches Wissen der Menschheit für immer ausgelöscht wurde. Doch was wäre, wenn der Raub der Flammen nur ein geschicktes Ablenkungsmanöver gewesen wäre, wenn die Aufzeichnungen, das Wissen auch und insbesondere um Magische Vorgänge nach wie vor, wohl verborgen versteht sich, existieren würde?
Die Alexandrinische Gesellschaft - der Name weist den Weg - hat sich, bestens verborgen vor den neugierigen Augen der Öffentlichkeit mittlerweile in ein Herrenhaus in London zurückgezogen. Hier wird das verborgene Wissen aufbewahrt, hier können die Mitglieder auf die Schriftrollen, Tafeln und Bücher zugreifen.
Alle zehn Jahre werden sechs der talentiertesten Magier ihrer Generation auserwählt um das uralte Wissen zu studieren, sich fortzubilden, neue Wege auszukundschaften und das Wissen zu mehren. Jene, die die Initiation überleben und sich im magischen Wettstreit durchsetzen - auf einen der Sechs wartet der Tod - erwarten Reichtum, Macht und Erkenntnisse ohnegleichen.
Jeder der Initianten positioniert sich, jeder hat eine andere Fähigkeit - Naturmagie, Physiomagie, Empathie, Telepathie; und ein Magier, der jegliche Illusion zu durchschauen vermag. Es geht darum, Bündnisse zu schließen, Geheimnisse aufzudecken - nicht nur die der anderen, auch die Gesellschaft per se hat so Einiges zu verbergen - und so beginnt ein Intrigenspiel, das sich schnell verselbstständigt. Es geht um psychische Abgründe, wohlgehütete Geheimnisse, um Sympathie und Antipathie, Liebe und Hass und immer um das persönliche Ego…
Der Auftakt einer Trilogie liegt vor mir, der in den sozialen Medien - TikTok - für Aufregung gesorgt hat. Nachdem der Text dort zur Selfpublisher-Sensation wurde, sicherte sich Tor die Rechte und bringt die ersten beiden Romane bei uns in relativ kurzem Abstand - Band 2 soll im April 2023 erscheinen - als hochwertiges Hardcover.
Man kann den Roman getrost in die bekannte Phalanx der Academy-Geschichten einreihen. Die jeweils recht kurz gehaltenen Kapitel werden abwechselnd aus Sicht der sechs Initianten erzählt, die uns zu Beginn, bei ihrer jeweiligen Rekrutierung, vorgestellt werden.
Die Bühne auf der die Handlung abläuft bleibt recht marginal - das Herrenhaus, ab und an eine Wohnung, da wird der Rezipient nicht wirklich gefesselt. Anzumerken ist auch, dass die Handlung nicht eben vor actionreichen Szenen strotzt. Der Plot erinnert eher an ein Theaterspiel, als an einen Roman.
Die Verfasserin legt ihr Augenmerk ganz auf die verschiedenen Charaktere, die sie immer deutlicher und vielschichtiger zeichnet. Dabei präsentiert sie uns nicht nur Sympathieträger - beileibe nicht, sind doch fast alle Figuren durchaus auch mit negativen Seiten ausgestattet. Die Spannung ergibt sich in der Folgezeit dann aus den intellektuellen Auseinandersetzungen, aus den Erkenntnissen, die sich unseren Erzählern nach und nach erschließen und aus den philosophischen Fragen, die angesprochen werden.
Dies führt dazu, dass der Roman insbesondere im Mittelteil Längen aufweist. Hier braucht man als Leser ein wenig Sitzfleisch- bevor der Plot dann im Finale dramatisch und temporeich zu einem vorläufigen Finale geführt wird.
Es bleibt der Eindruck, dass die Autorin versucht, dem doch recht ausgelutschtem Sub-Genre des Academy-Romans neue Seiten abzugewinnen, dass sie uns interessante, vielschichtige Charaktere und jede Menge Geheimnisse vorstellt, dabei aber keinen wirklichen Pageturner präsentiert.