Robert Kraft: Das Gauklerschiff - Die Irrfahrten der Argonauten 1 (Buch)

Robert Kraft
Das Gauklerschiff - Die Irrfahrten der Argonauten 1
Kapitel 1-38
Titelbild: Georg Hertting
Verlag Dieter von Reeken, 2022, Hardcover, 592 Seiten, 30,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Das Meer ist grenzenlos weit, schön und doch immer gefährlich. Davon können diejenigen, die hier ihre Arbeit verrichten, die Matrosen und Offiziere der Schiffe, ein Lied singen. Zu diesen gehört auch Georg Steevenbrock, seines Zeichens zweiter Steuermann des Dreimastschoners „Therese“ auf der er in Bremerhaven angeheuert hat. Als die Ladung vor Kap Horn anfängt zu qualmen, weiß die Besetzung, was die Zeit geschlagen hat. Schnell die Beiboote zu Wasser gelassen und dann nichts wie weg - die „Therese“ ist ein Fall für den Versicherer.

Die Rettung naht durch und mittels der „Argos“, eines Schiffes, das eigentlich für die britische Marine gebaut worden war. Ein Segelschiff mit Motorunterstützung, groß genug für eine Besatzung von 400 Mann, bislang aber nur mit rund 70 Männern, dafür jeder Menge Getier ausgerüstet.

Kaum an Bord lernt unser Schiffbrüchiger die Eignerin, die Millionärin Helene Neubert, kennen. Als Patronin, so der ihr von der Mannschaft verliehene Ehrentitel, fährt sie über die Weltmeere, sammelt dabei Tiere und besondere Menschen - die so genannten Exklusiven, mit gar ungewöhnlichen Verhaltensweisen und Gaben - um sich. Sie bietet Georg an als Waffenmeister, als ihr rechter Arm, an Bord zu bleiben - er akzeptiert.

Ihr Bruder, der den Fundort eines sagenhaften Goldschatzes weiß, sitzt unschuldig in New York im Gefängnis. Mit seinem Wissen könnte die Crew der „Argos“ reich werden, allein ein Verräter und ein skrupelloser Kapitän Satin, bezeichnenderweise genannt Satan, verhindern den Coup.

Während ihrer Fahrt rund um die Welt nimmt die „Argos“ immer neue, einzigartige Besatzungsmitglieder an Bord, eine veritable Orgel wird auch eingebaut, und schussendlich entdeckt und rettet man eine Gruppe Kinder, deren Buben man zu Schiffsjungen ausbilden will.

So geht es weiter über die Weltmeere, die „Argos“ nimmt Fahrt auf und mit ihr die Mannschaft, die von einem Abenteuer ins nächste schippert…


Soweit zum ersten von vier Bänden des Kolportage-Romans von Robert Kraft.

Anders als bei den Vorgängern, die Dieter von Reeken in seinem Verlag neu zugänglich gemacht hat, braucht die Handlung ein wenig, bis sie in Fahrt kommt. Zunächst gilt es, die Figuren vorzustellen; im ersten Drittel des Bandes passiert auch vergleichsweise wenig. Phantastische Szenen gibt es - noch - keine, dafür versorgt uns Kraft mit jeder Menge Fachwissen, was die Seefahrt in Allgemeinen und die Heuer an Bord von Segelschiffen im Besonderen anbelangt.

Ich muss zugeben, der Beginn erweist sich, gerade, weil ich von Kraft anderes gewohnt bin, als ein wenig zäh. Der Autor nimmt seine Verpflichtung, seine Leser zu bilden, ihren Horizont zu erweitern sehr ernst, gibt oft lange Ausführungen zu unterschiedlichsten Themen, die den Handlungsfluss ein wenig versiegen lassen. Es fehlt noch der rote Faden, das Besondere, was seine Romane gemeinhin auszeichnet. Im Verlauf des Bandes wird es dann spannender, das Tempo nimmt deutlich zu.

Eine Anmerkung zum Inhalt sei noch erlaubt. Dieter von Reeken selbst führt im einleitenden Vorwort aus, dass er die zum Teil „menschenverachtenden, rassistischen und sadistischen Schilderungen Krafts“ ungekürzt wiedergegeben hat. Es ist ein Zeitzeugnis - eine Änderung wäre nicht werkgetreu; der Herausgeber selbst weist aber auf diese Passagen ausdrücklich hin.

Ich finde die Entscheidung, das offen anzusprechen - den Text aber unredigiert zu lassen -, richtig. Robert Kraft war ein Kind seiner Zeit, dachte und fabulierte, wie es damals Usus war. Das ist aus heutiger Sicht verwerflich, ja unakzeptabel, gleichzeitig aber auch ein Abbild des damaligen Denkens, das unter anderem auch das koloniale Handeln bestimmte.

So ist dies ein Auftakt, ein Buch, das uns den Seefahrt-Experten Robert Kraft vorstellt, das die Leser bilden soll, dann aber natürlich auch die besondere Gabe Krafts, sein Publikum jung wie alt, feminin wie maskulin an die Seiten zu bannen, erreicht.