Herbert Pelzer: Niemand (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 17. August 2022 12:03
Herbert Pelzer
Niemand
KBV, 2022, Taschenbuch, 352 Seiten, 14,00 EUR
Rezension von Christel Scheja
Der 1956 geborene Herbert Pelzer hat bis 2020 in der Film- und Fernsehausstattung gearbeitet, aber schon vor einigen Jahren das Schreiben begonnen. Ihm liegt vor allem daran, die Regionalgeschichte zwischen Köln und der Eifel in spannenden Erzählungen zum Leben erwecken, die auch ein wenig Krimi in sich haben, so wie es bei „Niemand“ der Fall ist.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wächst das Findelkind Martin Niemand bei einer Tagelöhnerfamilie in einem Kaff am Nordrand der Eifel auf. Er hat es in seinem Leben nicht leicht, nur wohlmeinende Mitglieder der Dorfgemeinschaft helfen ihm dabei, irgendwann sein Glück zu finden. Doch das ist nicht ungetrübt, wie sein Sohn Kaspar Jahre später erfahren muss, als er aus dem Krieg zurückkehrt, vor dem Nichts und einer bitteren Wahrheit steht. Sein Weg scheint vorgezeichnet, denn schon bald gerät er immer mehr in das gesellschaftliche Abseits, jedoch nicht immer aus eigener Schuld.
Wer einen ausgefeilten Krimi sucht, der wird den eher nicht finden. Dem Autor liegt es mehr am Herzen, die Geschichte aus der Sicht der Menschen zu erzählen, die es von Anfang an nicht einfach haben, weil sie mit einem Stigma behaftet sind. Deshalb ist es auch nicht wichtig, wer Martins wahre Eltern waren, sondern nur wie ihn das Leben bei der Tagelöhnerfamilie prägt, die von einem trunksüchtigen Tyrannen beherrscht wird.
Bei dem, was ihm im Verlauf seiner Jugend widerfährt, ist es ein Wunder, dass Martin nicht wirklich ins Verbrechen abrutscht, oder seine Hände mit Blut befleckt. Geschickt eingeflochten sind in diese Jahre auch die Auswirkungen der Gesellschaft im Dritten Reich auf die einfache Bevölkerung; Judenhass und Euthanasie minderwertigen Lebens eingeschlossen.
Der zweite Teil des Buchs ist Martins Sohn Kaspar gewidmet, der noch als Jugendlicher vor dem Nichts steht und ähnlich wie sein Vater versucht, etwas aus seinem Leben zu machen, was aber nicht gelingen will, denn er ist einerseits alleine und ohne Fürsprecher, auf der anderen Seite wird er durch ein besonderes Stigma immer wieder zum Sündenbock gemacht, so dass man sich nicht wundern muss, warum er in die Halbwelt abrutscht.
Durchweg nüchtern, aber auch bewegend, beschreibt der Autor zwei Leben am Rande der Gesellschaft mit all ihren Höhepunkten und Niederlagen, dazu kommt ein guter Schuss Zeitkolorit, der klar macht, wie bitter das Leben sein konnte, wenn man zu den Ärmsten gehörte oder heimatlos war.
Tatsächlich gönnt man den Protagonisten das kleine Glück, das sie immer wieder erleben dürfen und kann ihr Verhalten, ihre Gedanken und Gefühle gut nachvollziehen. Die Spannung entsteht durch die vielen Schicksalswendungen, weniger durch die Taten der beiden Männer. Auch ihr Umfeld lernt man gut kennen, selbst Nebenfiguren dürfen verschiedene Facetten ihres Charakters zeigen.
Das macht „Niemand“ zu einem faszinierenden Roman mit ein paar wenigen Krimi-Elementen, der durch das Zeitkolorit und das bewegende Schicksal der beiden Hauptfiguren punkten kann und zu einem Lesevergnügen wird, wenn man sich auf die Schilderungen des harten Lebens am unteren Ende der Gesellschaft einlassen kann.