Annette Oppenlander: Endlos ist die Nacht (Buch)

Annette Oppenlander
Endlos ist die Nacht
2022, Paperback, 340 Seiten, 15,95 EUR

Rezension von Christel Scheja

Annette Oppenlander weiß worüber sie schreibt, denn sie hat über dreißig Jahre in den USA gelebt und konnte daher vor Ort die Gegenden kennenlernen, in denen sie ihre Geschichte anlegt und das nötige Wissen über die Zeit sammeln. Diesmal wendet sie sich in „Endlos ist die Nacht“ der Prohibitionszeit auf ihren Höhepunkt zu.


Samantha verliert durch den Unfalltod ihrer Mutter alles. Schon zuvor haben sie sich eher schlecht als recht als Wäscherinnen durchgeschlagen, nachdem der Vater aus dem Weltkrieg in Europa nicht mehr zurückkehrte und der Bruder auch schon eine ganze Weile nicht mehr da ist. Sie hat nur noch eine Hoffnung: diesen in Chicago wieder zu finden.

Auf der Reise dorthin lernt sie den Hobo Paul kennen, der ihr ein wenig hilft und sie beschützt, bis eine Razzia alles zerstört. Der junge Mann wird verhaftet, Samantha aber landet in einem Bordell - ihr sozialer Abstieg scheint damit endgültig zu sein.


Wie auch schon in ihren Bürgerkriegsroman erzählt die Autorin von dem Leben der einfachen Leute, fernab der schillernden Welt der Einflussreichen, Mächtigen und Wohhabenden. Denn gerade in den 1920er Jahren hat sich für die breite Masse der Bevölkerung, vor allem die Frauen, auch noch nicht viel geändert.

Samanthas Schicksal dürfte für viele andere stehen, die sich als Halbwaisen mit ihren Müttern durchs Leben kämpfen und es nicht leicht haben, wenn kein Vermögen da ist, das sie finanziell absichert. Denn in den USA zählt das Recht des Stärkeren und viele Männer nehmen es sich einfach.

So macht sie im Verlauf der Geschichte auch Einiges durch, kommt immer wieder auch in Berührung mit dem organisierten Verbrechen, das durch die Prohibition stark profitiert. Immerhin schildert die Autorin eine starke Frau, die auch am tiefsten Punkt ihres Lebens nicht bereit ist, aufzugeben. Zugleich bleibt es auch spannend, denn vermeintliche Rettung und scheinbares Glück können sich - wenn die Fassade bröckelt, weil alles schiefgeht - schnell ins Gegenteil verkehren.

Auch interessant ist der Weg des Hobos Paul, der tatsächlich mehr ist, als man denkt und durch einen Richter aus seiner misslichen Lage geholt und nach Hause geschickt wird. Dort muss er sich aber auch mit anderen Schwierigkeiten herumschlagen und aufhören, naiv und idealistisch in die Welt zu schauen.

Das Buch hat jedenfalls alles, was die Zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts auszeichnet. Schillernde Momente in den Clubs, die ungeschönte Umgebung der Flüsterkneipen und Bordelle. Aber auch die Menschen, die jede Gelegenheit nutzen, sich an anderen zu bereichern und dabei keine Skrupel kennen. Durch diese Mischung ist Spannung bis zum wohlverdienten Ende für alle gewahrt.

„Endlos ist die Nacht“ kann durch die lebensnahen und glaubwürdigen Schilderungen einer Zeit punkten, in der nicht alles schillernd und wunderbar war, sondern gerade die einfachen Menschen in der bigotten Gesellschaft zu kämpfen hatten, während die wahren Verbrecher fast alles tun konnten, was sie wollten. Und gerade die Frauen hatten es schwer, sich gegen die Willkür der patriarchalisch strukturierten Gesellschaft zu behaupten - aber auch sie fanden wie die Heldin gelegentlich ihre Nische.