Walker Dryden: Der vergiftete Thron (Buch)

Walker Dryden
Der vergiftete Thron
Die Tumanbay-Saga 2
(The Poison Throne, 2021)
Übersetzung: Urban Hofstetter
Blanvalet, 2022, Paperback, 590 Seiten, 16,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Einst war sie ein Juwel der Wüste; die Rede ist natürlich, wie kann es anders auch sein, von der Küstenstadt Tumanbay, der Stadt, in der Reichtümer gemacht, Handel getrieben wurde und ein jeder Sklave die Möglichkeit hatte, zu Rang und Würden aufzusteigen. Aus allen Herren Ländern reisten Menschen hierher, versuchten ihr Glück zu machen, ihren Einfluss zu mehren und zu Macht und Ehren zu gelangen. All dies ist vorbei!

Die Usurpatorin Maya und ihre fanatischen Truppen eroberten die Stadt, töteten den Sultan, setzten eine Marionette auf den Thron und begannen, die Bewohner umzuerziehen. Nicht länger herrschten Ruhe, Wohlstand und Sicherheit, die Fanatiker, allen voran der Inquisitor, begaben sich auf die Jagd nach einem Jeden, der sich an die strengen Gesetze nicht halten wollte. Es herrscht Furcht, Zwietracht, Neid und Denunziantentum.

Dabei sind sich die neuen Herrscher selbst untereinander nicht grün. Effendi Rot, den Maya als Regent eingesetzt hat, befindet sich in einem unausgesprochenen Krieg mit Barakat, dem Inquisitor, der unbarmherzig gegen Ketzer und Gegner gleichermaßen vorgeht.

Madu, der nominelle Sultan, ist ein schwacher junger Mann, den nur seine Rauschmittel interessieren, Gregor, einst Kommandant der Palastwache und Cadali, ehedem Großwesir, haben sich der neuen Herrschaftsstruktur angepasst. Sie, wie viele andere Bewohner der Stadt, leben tagtäglich in der Angst, berechtigt oder unberechtigt angeklagt und gefoltert zu werden. Wie lange kann dieser Status quo noch aufrechterhalten werden, wann wird es zum Aufstand oder zum Genozid - beides gleich wahrscheinlich - kommen?


Willkommen zurück in einer faszinierenden, orientalisch anmutenden Kulisse. Weiter geht es mit den Erzählungen unterschiedlichster Einwohner der Stadt, die uns an den dramatischen Geschehen teilhaben lassen.

Wir begleiten diese Menschen, erfahren von diesen aus der Innenansicht vom tagtäglichen Überlebenskampf, von der Not, der Verzweiflung der Bewohner. Die Intrigen, die bislang den Palastbewohnern vorbehalten waren, werden nun von den neuen Herren gepflegt. Für den einfachen Mann draußen ist der Unterschied marginal.

Und doch hat sich etwas geändert. Ein Gefühl der Hilflosigkeit, der immerwährenden Angst greift um sich, keiner traut mehr seinem Nachbarn, jeder spioniert jeden aus. Dieses Gefühl der latenten aber andauernden Gefahr prägt den Text. Der Verlag tituliert die Saga durchaus treffend als „Game of Thrones mit einem Hauch Aladin“.

Ursprünglich von den beiden Verfassern Mike Walker und John Scott Dryden für einen BBC-Podcast entworfen, veranlasste der große Erfolg eben jenes Podcasts die Beiden dazu, ihre Schöpfung den Interessierten auch in textlicher Form in bislang zwei Romanen anzubieten.

Nach wie vor ist das Tempo nicht wirklich hoch; zu oft wechseln die Blickwinkel, als dass die Erzähler durch die Handlung stürmen könnten. Nein, die beiden Autoren lassen sich Zeit, nehmen sich den Raum ihren Fokus weit schweifen zu lassen, uns ihre Handlung aus unterschiedlichsten Sichtweisen zu präsentieren.

Es gibt, wie gewohnt, keinen wirklichen einzelnen Protagonisten - die verschiedenen Erzähler schlüpfen gleichberechtigt in die Rolle des Berichterstatters, bedauern uns ob der Fährnisse mit denen sie konfrontiert werden und erkämpfen sich unsere Achtung für ihren Mut, mit dem sie ihr Schicksal annehmen.

Weiterhin strahlt der Plot ein Höchstmaß an Authentizität aus, zeigt uns machtbesessene Menschen in einem orientalischen Flair und was ihre Gier, sich über Andere zu erheben, aus ihnen macht.