Die verlorenen Briefe (Comic)

Jim Bishop
Die verlorenen Briefe
(Lettres Perdues, 2022)
Übersetzung: Swantje Baumgart
Cross Cult, 2022, Hardcover, 208 Seiten, 30,00 EUR

Rezension von Christel Scheja

Jim Bishop hatte lange mit der Fertigstellung der hier vorliegenden Graphic Novel gehadert und wollte sie 2018 sogar aufgeben, hat sich aber noch einmal umentschieden, so dass nun im Jahr 2022 die Geschichte nun nicht nur in Frankreich, sondern auch hierzulande bei Cross Cult erscheinen kann. „Die verlorenen Briefe“ erzählt eine ganz eigene Geschichte zwischen Fantasy und Lebensweisheit.

 

Iode lebt in einer einsamen kleinen Hütte an der Küste und wartet jeden Tag auf einen ganz besonderen Brief, der aber nie ankommt; er fühlt sich von dem Post austragenden Clownsfisch verarscht, der sich mittlerweile lustig über ihn macht.

Als er es gar nicht mehr aushält, setzt er sich in sein Auto und beginnt erst die Nachbarn abzuklappern, dann steuert er die Stadt an, als er keinen positiven Bescheid erhält. Auf dem Weg sammelt er die Anhalterin Frangine auf, die eine sehr positive Wirkung auf ihn hat.

Allerdings weiß er nicht, dass sie einen Koffer an eine kriminelle Bande ausliefern soll, was einerseits für Missverständnisse sorgt, sie andererseits aber auch in ziemliche Gefahr bringt. Doch das unerwartete Abenteuer reißt auch seine verborgenen Wunden auf.


Der Vergleich mit den Geschichten von Studio Ghibli liegt nahe, denn wie bei den Meisterwerken von Hayao Miyazaki und seinem Team mischen sich auch hier ein märchenhafter Hintergrund mit einer berührenden Geschichte, auch wenn es erst nicht danach aussieht.

Fische und andere Meereswesen interagieren mit den Menschen als sei es die natürlichste Sache der Welt; es gibt keinerlei Unterschiede. Das sorgt für ein verspieltes und außerordentlich phantastisches Setting. Der Hintergrund bleibt allerdings schwammig, damit sich die Geschichte mehr auf die Figuren konzentrieren kann. Denn die wirken nur auf den ersten Blick innerlich gefestigt und in sich ruhend; beide tragen auch Ängste und Wunden in sich, selbst die eigenwillige und selbstbewusste Frangine, die den eher scheuen Iode aus seinem Schattendasein holt.

Mehr als er ist sie sich aber ihrer dunklen Seiten bewusst und verleugnet diese nicht, so dass sie den jungen Mann letztendlich auch dazu bringt, sich dem zu stellen, was er so lange erfolgreich verdrängt hat.

Auch wenn der Comic einige actionreiche Momente hat, so ist er doch eher eine Geschichte der leisen und feinen Töne, fordert die Leser auf, sich auf die ungesagten, aber angedeuteten Dinge zu konzentrieren und zwischen den Zeilen zu lesen.

Der Stil, den der Künstler benutzt, passt ebenfalls zum ersten Eindruck, denn er neigt tatsächlich dem Manga-Stil zu, besitzt aber dennoch eine klare westliche Note.

Ob der Comic auch für Kinder geeignet ist, muss jeder selbst entscheiden, denn es gibt auch einige brutalere Momente und die Grundaussage ist eher melancholisch, das Ende bittersüß.

„Die verlorenen Briefe“ ist eine Grapic Novel, die ihren Zauber erst auf den zweiten Blich enthüllt und eine Geschichte erzählt, die man tatsächlich auch aus dem Studio Ghibli kennt, wo das phantastische Setting mit sprechenden Meereswesen und Fischen bewusst eine Handlung transportiert, die sehr auf die Figuren und deren Entwicklung konzentriert ist, das Märchenhafte durchaus ernste und berührende Themen transportiert und in diesem Fall auch so endet, wie es Kinder vermutlich nicht erwarten würden, Erwachsene aber schon.