Heiligtum 3: Moth (Comic)
- Details
- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Donnerstag, 02. Dezember 2010 20:49
Heiligtum 3
Moth
(Sanctuaire: Môth)
Text: Xavier Dorison
Zeichnungen: Christophe Bec
Farben: Homer Reyes
Übersetzung: Delia Wüllner-Schulz
Lettering: Dominik Madecki
Splitter, 2010, Hardcover, 72 Seiten, 14,80 EUR, ISBN 978-3-86869-150-4
Von Frank Drehmel
Da Junes gefährliches Unterfangen, das abgetauchte DSRV, das „Deep Submergence Rescue Vehicle“, der „USS Nebraska“ zu bergen, von Erfolg gekrönt ist, ändert sich die Lage an Bord des havarierten U-Bootes von „hoffnungslos“ auf „so gut wie aussichtslos“. Immerhin eröffnet sich den Männern – oder wenigstens einigen von ihnen – nun ein Weg, ihrem unterseeischen Gefängnis zu entkommen, auch wenn die Chancen minimal sind.
Während man auf dem Boot an einem Rettungsplan arbeitet und zudem die Übersetzung des gefunden Hieroglyphen-Textes vorantreibt, kämpfen sich die drei Überlebenden der Rettungsmannschaft, welche dem in den unheimlichen Unterwasserruinen verschwundenen Team Alpha folgt, immer tiefer in den Gebäudekomplex vor. Da nicht nur der Wahnsinn zu ihrem Gefährten wird, sondern auch eine fremde Wesenheit ihre Spur aufgenommen zu haben scheint, beginnt für die Männer ein Kampf sowohl um ihre geistige Gesundheit, als auch das nackte Überleben, ein Kampf, den sie verlieren müssen.
Unterdessen gelingt es an Bord der „Nebraska“, sowohl den Namen des Ungeheuers, das im Zentrum der versunkenen ugaritischen Kultstätte lauert, zu entschlüsseln – Moth –, als auch sein Wesen, den Kern seiner Existenz zu enthüllen: es soll sich, so die Schriften der Ugariten, von der Angst der Menschen nähren. Würde dieses Ungeheuer, das augenscheinlich auf eine metaphysische Art und Weise gefangengesetzt wurde – eine Tatsache, mit der sich die rationalistischen Forscher an Bord des U-Bootes kaum abfinden können – , über die Welt kommen, wären die Folgen entsetzlich. Das Dilemma der Eingeschlossenen besteht darin, dass genau das passieren könnte, wenn sie die „Nebraska“ befreien.
Mit „Moth“ liegt nun der Abschlussband einer kleinen, aber umso feineren Albenreihe vor, einer Trilogie, die sich in erster Linie durch ihre erfreulich dichte Mystery- beziehunsgweise Horror-Atmosphäre auszeichnet und die als der durch und durch gelungene Versuch gewertet werden kann, einen cineastischen Mystery-Thriller als Comic zu konzipieren. Obgleich Dorison das Rad nicht neuerfindet, sondern sich in Dramaturgie und szenischem Aufbau in geradezu eingefahrenen Bahnen bewegt, mit der Folge, dass der Grundplot relativ vorhersehbar bleibt, versteht er es dennoch, ein hohes Spannungslevel zu erzeugen und den Spannungsbogen bis zum bitteren Ende am Schwingen zu halten. Diese innere Spannung resultiert zentral aus dem Nebeneinander zweier Handlungsstränge. Der eine, derjenige im Boot, geprägt durch technische Kühle und Rationalität, der andere durch geradezu archaische, mystische Umstände, wobei Elemente des einen jeweils in den anderen hineinsickern, Visionen das Rationale in Frage stellen oder Ortungsgeräte bebziehungsweise Waffen scheinbaren Schutz in der Düsternis des Tempels versprechen.
Künstlerisch ist „Moth“ wie schon die beiden Vorgängeralben ganz, ganz großes Kino; was vielleicht die Erklärung dafür ist, weshalb man als Leser in vielen Figuren rein visuell Schauspieler oder Personen der Zeitgeschichte zu erkennen glaubt, von Stephen Spielberg über Johnny Depp und Beau Bridges bis hin zu Ronald Reagan.
Editorisch abgerundet wird dieser Abschlussband durch einen fünfseitige, kommentierten Ausflug in Becs Skizzenbuch.
Fazit: Der würdige Abschluss einer durch und durch spannenden, herausragend visualisierten Serie, der ganz zum Schluss die Überraschung bietet, die man als Survival-Horror-erfahrener Leser zuweilen etwas vermisst.