Die Nacht der lebenden Toten 1: Vatersünden (Comic)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Montag, 07. März 2022 17:18
Die Nacht der lebenden Toten 1
Vatersünden
(La Nuit des morts-vivants 1: Les fautes du pèr, 2014)
Text: Jean-Luc Istin
Zeichnungen: Elia Bonetti
Übersetzung: Harald Sachse
Splitter, 2015, Hardcover, 56 Seiten, 14,80 EUR
Rezension von Elmar Huber
Wie jedes Jahr an Halloween besuchen Lizbeth und ihr Bruder Leland an Halloween das Grab ihrer leiblichen Eltern. Am selben Tag häufen sich überall im Land seltsame Ereignisse. Regelrechte Wellen von Zombies überfluten die Städte. Das Militär riegelt binnen kürzester Zeit betroffene Gebiete ab.
Erst auf dem Friedhof, wo sie von einem Untoten angegriffen werden, bemerken die Geschwister, dass etwas nicht stimmt. Auf ihrer Flucht begreifen sie endlich das gewaltige Ausmaß des überall herrschenden Chaos. Unterwegs treffen die beiden auf Dante und dessen Sohn Theo, mit denen sie gemeinsam ein nahegelegenes, von Untoten belagerte Hotel erreichen, von wo ein Gewehrschütze auf alles schießt, was sich außerhalb des Gebäudes bewegt. Gleichzeitig macht sich Lizbeths Ehemann gemeinsam mit ihren zwei kleinen Kindern auf die Suche nach seiner Frau.
Jean-Luc Istins „Die Nacht der lebenden Toten“ wird sogar auf der Verlagswebseite als Adaption von George Romeros gleichnamigem Kultfilm bezeichnet, was schlicht überhaupt nicht zutrifft. Am ehesten könnte man sich noch denken, dass beide Geschichten parallel spielen, wogegen jedoch das eindeutig zeitgemäße Setting des Comics spricht.
Jedenfalls präsentiert Istin einen packenden Zombie-Thriller, bei dem einem schier die Luft wegbleibt. Bei dem vorgelegten Tempo, stellt sich die Frage gar nicht, wie denn so schnell so viele Zombies, die einen unbändigen Appetit auf Menschenfleisch entwickeln, das Land überschwemmen konnten. Die Handlung spielt innerhalb eines Tages; Lizbeth und Leland brechen im Lauf des Tages gemeinsam auf, und bereits hier gibt es einige Untote zu sehen. Einige Stunden später hat das Militär bereits innerstädtische Sperrzonen eingerichtet, um die Massen an Zombies in Schach zu halten. New Yorks Ausfallstraßen sind blockiert. Was der Auslöser der weitgreifenden Zombiefizierung ist, wird auf den ersten Seiten vage angedeutet.
Doch wie schon in Romeros Klassiker wird auch hier sehr bald deutlich, dass der Mensch des Menschen schlimmster Feind ist. Hubert Hodge, der Geschäftsführer des Hotels, hat sich mit einem Präzisionsgewehr in einem der oberen Räume des Gebäudes verschanzt und duldet keine Eindringlinge, ob untot oder lebendig.
Neu ist hingegen die rätselhafte Vergangenheitsebene, die vor allem von Lizbeths verschütteten Kindheitserinnerungen bestritten wird, die, ausgehend von einigen psychotherapeutischen Hypnosesitzungen, nach und nach wieder an die Oberfläche kommen. En passant erfährt der Leser, dass die Geschwister so gut wie keine Erinnerungen an ihre leiblichen Eltern haben, doch Lisbeths beunruhigende Flashbacks machen mehr als deutlich, dass sie als kleines Mädchen bereits einmal einem Untoten gegenübergestanden hat.
In Zeiten von „The Walking Dead“ ist Istins Zombie-Geschichte vielleicht nicht mehr so originell, doch immer noch eine absolute Empfehlung, und zwar nicht nur für Genre-Fans. Die Umsetzung punktet mit einigen supercoolen Szenen - beispielsweise rasen Lizbeth und Leland zu Beginn ihres Weges an einem Zombie vorbei, während im Autoradio Led Zeppelins „Stairway to Heaven“ läuft - und einem insgesamt sehr ordentlichen Tempo. Einige gut platzierte Andeutungen legen nahe, dass die Geschichte schon weit früher ihren Anfang nahm und Lizbeth sehr viel enger mit den Ereignissen verbunden ist, als man zunächst annimmt. Mit diesem Mystery-Faktor packt der Autor auch die Leser, die mit einem reinen Zombie-Szenario nur wenig anfangen können.
Die Zeichnungen von Elia Bonetti wirken nüchtern und sind mit ihren tiefen Schatten sehr stimmungsvoll geraten. Die Optik erinnert an die Arbeiten von Christophe Bec, hinter dem sich Elia Bonetti keineswegs verstecken muss.
„Die Nacht der lebenden Toten“ 1 ist ein packend inszenierter Zombie-Thriller, der neben den zu erwartenden Standard-Elementen des Genres auch über eine unerwartete Portion Sense of Mystery verfügt.